AA

Schewardnadse verhängt Ausnahmezustand

Der wochenlange Machtkampf zwischen dem georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse und der Opposition ist am Samstag eskaliert.

Nach der Erstürmung des Parlaments erklärte die Opposition Schewardnadse für abgesetzt und ernannte die bisherige Parlamentspräsidentin Nino Burdschnadse zur Interimspräsidentin. Schewardnadse sprach von einem „Putschversuch“ und verhängte den Ausnahmezustand.

Der Präsident hatte zuvor aus dem Parlamentsgebäude fliehen müssen, nachdem Dutzende Demonstranten den Sitzungssaal stürmten und den Abbruch seiner Rede erzwangen. Im Saal brach Tumult aus. Vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis feierten rund 25 000 Demonstranten den Sieg ihrer angekündigten „samtenen Revolution“.

Im Parlamentssal kam es zu dramatischen Szenen. Oppositionsführer Michail Saakaschwili lief während Schewardnadses Rede auf den Präsidenten zu und rief: „Treten Sie zurück!“ Ein Handgemenge entstand, als mehrere Abgeordnete versuchten, den Oppositionsführer aufzuhalten. Unter Führung von Saakaschwili und Burdschnadse hatten die Demonstranten die Türen des Gebäudes aufgebrochen und die Kontrolle über das Gebäude übernommen. Die Polizei behinderte die Demonstranten kaum, als sie Absperrungen durchbrachen und sich den Weg zum Parlament bahnten. Es gab auch Szenen der Verbrüderung:
Beamte winkten den Protestierenden zu. Demonstranten umarmten und küssten Polizisten.

Vor Journalisten gab Oppositionsführer Saakaschwili im Parlament die Ernennung Burdschnadses zur Übergangspräsidentin bekannt. Sie werde anstelle Schewardnadses so lange amtieren, bis ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt seien, sagte Saakaschwili. Burdschanadse erklärte: „Schewardnadse hat kein moralisches Recht mehr, Präsident zu bleiben.“ Sie warnte zugleich die Streitkräfte davor, in den Machtkampf einzugreifen.

Die Politikerin amtierte während der Amtszeit des vorigen Parlaments als dessen Präsidentin. Die Opposition erkennt die Parlamentswahl vom 2. November nicht an und wirft Schewardnadse massiven Wahlbetrug vor.

Nach dem Verlassen des Parlamentsgebäudes rief Schewardnadse: „Ich werde nicht gehen, wir halten zusammen.“ In einer Fernsehansprache wandte er sich an das Volk und warf den Erstürmern des Parlaments Mordabsichten vor: „Wäre ich zwei Minuten länger dort geblieben, hätten sie versucht, mich umzubringen.“ Leibwächter hatten Schewardnadse nach der Erstürmung aus dem Parlament geführt. Unter dem Schutz von Polizisten wurde er in einer schwarzen Limousine weggebracht.

Im Fernsehen bezeichnete Schewardnadse die Demonstranten als „Ganoven“ und kündigte ihre Bestrafung an. Er habe „großes Unglück“ von seinem Land abgewendet, indem er das Innenministerium angewiesen habe, die Demonstranten passieren zu lassen: „Das Ministerium ist meinem Befehl gefolgt, obwohl es auch Waffen hätte einsetzen können.“

Die Demonstranten waren dem Aufruf der Opposition gefolgt, die für Samstag eine „samtene Revolution“ zum Sturz Schewardnadses angekündigt hatte. Seit drei Wochen demonstriert die Opposition fast täglich gegen Schewardnadse, dem sie Betrug bei der Parlamentswahl, Vetternwirtschaft und Untätigkeit angesichts der Korruption vorwerfen.

Nach dem am Donnerstag veröffentlichten Endergebnis wurde Schewardnadses Partei bei der Parlamentswahl am 2. November stärkste Kraft, gefolgt von der Partei seines Verbündeten Aslan Abaschidse. Zusammen kommen beide Gruppierungen auf rund 40 Prozent der Stimmen. Auch die EU-Kommission und die USA beanstandeten die Wahl. Am Freitag räumte auch der Chef des nationalen Sicherheitsrates Georgiens, Tedo Dschaparidse, Fälle von Wahlbetrug ein.

Die politische Krise in der früheren Sowjetrepublik am Schwarzen Meer ist die schwerste seit dem Ende des Bürgerkriegs vor mehr als zehn Jahren. Georgien ist für den Westen strategisch wichtig, da es als Transitland für Öl aus dem Kaspischen Meer dient.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Schewardnadse verhängt Ausnahmezustand
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.