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Scheitern wäre „großes Unglück für Europa“

Ein Scheitern des EU-Reformkonvents, der mit der Ausarbeitung der europäischen Verfassung beauftragt ist, wäre „ein großes Unglück für Europa und die Europäer“.

Dies sagte Konventspräsident Valery Giscard d’Estaing am heutigen Freitag in einem Radiointerview kurz vor Beginn einer Sitzung des 105-köpfigen Gremiums, bei der der umstrittene Verfassungsentwurf des Präsidiums diskutiert wird.

„Es wäre ein großes Unglück, und ich hoffe, dass es nicht dazu kommen wird. Es wäre ein großes Unglück für Europa und auch für die Europäer“, sagte Giscard im französisch-sprachigen belgischen Rundfunk RTBF zur Möglichkeit eines Scheiterns. Die europäische Krise in Bezug auf die Irak-Frage hätte die Dringlichkeit einer Reform der europäischen Institutionen und die Notwendigkeit betont, den Posten eines EU-Außenministers zu schaffen, fügte der ehemalige französische Staatspräsident hinzu. „Wir haben einen Winter erlebt, in dem es ein betäubendes Schweigen der europäischen Institutionen gab, während sich Europa in der Irak-Frage gespalten hat“, sagte Giscard.

Giscard erklärte weiter, dass die Arbeiten des Reformkonvents nicht blockiert seien, selbst wenn es Uneinigkeiten in Bezug auf die zentrale Institutionenreform gebe. „Wir kommen normal voran“, betonte der zentrumsbürgerliche Politiker. Giscard wies überdies die Kritik des EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi zurück, der dem Projekt einen Mangel an „Ambition“ vorgeworfen hatte. „Es ist originell, denn jene, die uns vorwerfen, zu wenig Waghalsigkeit und Phantasie zu besitzen, raten uns, das alte System zu behalten“, sagte der Ex-Präsident wörtlich und fügte hinzu: „Die Kritik, die hier oder dort zum Ausdruck kommt, ist natürlich, man sollte kein Drama daraus machen“.

Was die Vereinfachung der Entscheidungsfindung im EU-Ministerrat durch Einführung von Mehrheitsabstimmungen anlangt, räumte Giscard ein, dass gewisse Länder „einen negative Haltung eingenommen haben“. Er nannte als Beispiel Spanien und „in einem gewissen Maße“ Polen. Durch Einführung einer “Übergangsperiode“ sei allerdings ein Kompromiss möglich, fügte der Präsident des Reformkonvents hinzu. Giscard verteidigte weiter eine Präambel der EU-Verfassung ohne direkten Bezug auf Gott oder die christlichen Wurzeln. „Wir wollten die Religionen wie zum Beispiel die christliche Religion, die vom geschichtlichen Blickpunkt die wichtigste in Europa war, nicht nennen. Es gibt nämlich auch andere Religionen. Wir sprechen von einem religiösen Erbe“, erläuterte Giscard.

Der ehemalige französische Staatspräsident bekräftigte seine Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei. Für ihn ist die Türkei „seit jeher ein Land des Nahen Ostens“. „Wenn sie ein Geografiebuch öffnen, so stellt die Türkei in Europa etwas weniger als fünf Prozent der gesamten Türkei dar“, betonte Giscard. Er sprach sich allerdings für Abkommen über eine verstärkte Zusammenarbeit der EU mit dem Land aus. Die Türkei ist offizielle EU-Beitrittskandidat. Die Union will bis 2004 entscheiden, ob sie Beitrittsverhandlungen mit dem Land aufnimmt.

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