Auch Astronomen, die mit hochpräziser Himmelsbeobachtung zu tun haben, sind auf die Schaltsekunde angewiesen. Alle zwei bis drei Jahre beschließt der internationale Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) die Einführung einer Schaltsekunde. Diesmal ist es am 30. Juni um Mitternacht so weit: Auf die Sekunde 23:59:59 folgt 23:59:60 – und erst dann beginnt der erste Juli mit 0:00:00.
Wieso überhaupt eine Schaltsekunde? Die Länge des Tages ist an die Rotation der Erde um ihre eigene Achse gekoppelt, und diese wird im Lauf der Zeit immer langsamer. Ab und zu muss man daher eine Zusatzsekunde einführen, damit die offizielle Zeit und die Rotation der Erde nicht immer weiter auseinanderlaufen. Der Grund für die Verlangsamung der Erdrotation ist die Gezeitenkraft des Mondes. “Der Mond dehnt die Erde ein bisschen. Es bilden sich Flutberge aus und auch die feste Erde wird verformt”, so Böhm.
Rotation wird gebremst
Allerdings kann die Erde aufgrund ihrer inneren Reibung die Verformung nicht augenblicklich ändern, wenn sie sich weiterdreht. Daher zeigt die entstehende Ausbuchtung nicht exakt in Richtung Mond, die Verformung wird durch die Rotation immer ein bisschen vom Erdtrabanten weggedreht. “Diese Asymmetrie bewirkt, dass der Mond ein Drehmoment auf die Erde ausübt und die Rotation der Erde ein kleines bisschen bremst”, erklärte der Professor vom Department für Geodäsie und Geoinformation der TU Wien. Gleichzeitig wandert der Mond dabei immer weiter von der Erde weg.
Neben der Gezeitenkraft des Mondes gibt es auch noch andere Effekte, die Einfluss auf die Rotationsgeschwindigkeit der Erde haben – etwa die Gewichtsverlagerung durch das Abschmelzen des Eises an den Polen. Forschungsinstitute auf der ganzen Welt werten die Orientierung der Erde und somit die präzise Tageslänge laufend aus, zu ihnen gehört auch die TU Wien. “Die Orientierung der Erde kann man durch genaue Vermessung ferner Himmelskörper bestimmen, so erreichen wir mittlerweile eine Genauigkeit im Bereich von Mikrosekunden”, sagte Böhm.
Für Abschaffung der Schaltsekunde
Diese hohe Präzision ist aber auch der Grund dafür, dass er die Schaltsekunde eigentlich nicht mehr für besonders wichtig hält. Nachdem man heute ohnehin mit viel höheren Genauigkeiten arbeitet, hat man in der Forschung längst keine andere Wahl mehr als komplizierte Korrekturen mit Mikrosekundengenauigkeit zu berücksichtigen. Böhm ist daher insgesamt eher für die Abschaffung der Schaltsekunde. Im Grunde wäre es kein Problem, länger zu warten, und dann vielleicht nach einigen Jahrzehnten gleich eine ganze Schaltminute einzufügen.