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Die Schächtung betrifft sowohl Juden als auch Muslime. / Symbolbild
Die Schächtung betrifft sowohl Juden als auch Muslime. / Symbolbild ©Pixabay

Schächten: Islamische und Israelische Gemeinschaft gleichermaßen betroffen

Momentan wird von der Abteilung Naturschutz in Niederösterreich das rituelle Schlachten von Tieren diskutiert, das sowohl die Juden, als auch die Muslime betrifft.
Koscheres Fleisch: Verbot in NÖ befürchtet

Die rituelle Schlachtung, die aus dem Judentum stammt und später auch vom Islam übernommen wurde, stellt für beide Religionen aber einen wichtigen Teil der Religionsausübung dar. Schlachtungen ohne vorherige Betäubung sind im Tierschutzgesetz zwar prinzipiell verboten, bei “zwingenden religiösen Geboten oder Verboten einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft” aber erlaubt.

Grundsätzlich bezeichnet das Schächten das rituelle Schlachten eines Tieres im Judentum, erklärt Richard Potz, Professor am Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien, gegenüber der APA. Später wurde es dann auch vom Islam übernommen. Charakteristisch ist das “Durchtrennen der Halsschlagader des Tieres durch einen fachmännisch ausgeführten schnellen Schächtschnitt ohne vorhergehende Betäubung. Die Tiere bluten dann aus”, heißt es im Buch “Muslime in Österreich”, das Potz zusammen mit den Wissenschaftern Susanne Heine und Rüdiger Lohlker verfasst hat.

Juden und Muslime gleichermaßen betroffen

Wichtig ist dabei das vollständige Ausbluten des Tieres, es darf nur unblutiges Fleisch konsumiert werden. Auch dass keine Betäubung vorgenommen wird, habe einen theologischen Hintergrund, so Potz: “Es gibt in der Religion die Vorstellung, dass ein Tier nicht gegessen werden kann, wenn es nicht völlig okay ist. Sobald man es betäubt, ist es das nicht mehr.” Durch die Betäubung werden den Tieren Verletzungen zugefügt, durch die das Fleisch nicht mehr koscher ist.

Es gebe viele verschiedene Standpunkte zu dem Thema, erklärt Potz. So werde etwa diskutiert, wie lange Tiere nach einem richtigen Schächtschnitt überhaupt noch Schmerz empfinden. “Es gibt durchaus auch Leute, die sagen, dass Schächten tierfreundlicher ist als andere Methoden”, so Potz. In den beiden Religionen hänge man stark an den rituellen Schlachtungen.

Laut einer EU-Richtlinie müssen beim Töten Schmerzen, Stress, Angst oder andere Formen des Leidens bei den Tieren möglichst vermieden werden, das Schlachten ohne vorherige Betäubung ist allerdings aus religiösen Gründen erlaubt. Die Reihenfolge könne also umgedreht werden und die Betäubung erst nach dem Schächtschnitt erfolgen, so Potz.

Tierschutz: Schächten rechtlich erlaubt

In Österreich ist Schächten derzeit laut dem Tierschutzgesetz des Bundes, das von den Ländern vollzogen wird, erlaubt – allerdings unter bestimmten Auflagen. So muss etwa ein Tierarzt anwesend sein und das Tier sofort nach dem Schnitt betäubt werden. Zudem dürfen die Schlachtungen nur in von der Behörde dafür zugelassenen Schlachtanlagen erfolgen. Prinzipiell ist das Schlachten von Tieren ohne Betäubung aber verboten, nur bei “zwingenden religiösen Geboten oder Verboten einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft” ist es zulässig.

Ein strafrechtliches Verbot der rituellen Schlachtung, so heißt es in “Muslime in Österreich”, wäre verfassungswidrig. Auch der Oberste Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof haben laut dem Werk in der Vergangenheit bereits die Meinung vertreten, dass “dem Tierschutz gegenüber dem Recht auf Freiheit der Religionsausübung kein durchschlagendes Gewicht zukomme”.

Kern an “dunkelste Kapitel unserer Geschichte” erinnert

SPÖ-Vorsitzender Christian Kern ist angesichts in Niederösterreich geplanten Richtlinien zum Schächten empört. “Diese Registrierung erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte”, meinte er in einer Aussendung zu den Absichten von FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl und forderte dessen sofortigen Rücktritt. Für die Liste Pilz gehen die Pläne hingegen nicht weit genug.

“Viel schwerer” wiegt für Kern aber “das dröhnende Schweigen” von Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) “zu den permanenten Attacken der FPÖ gegen die Grundsäulen unserer Republik”. Umso wichtiger sei es, “dass Opposition und Zivilgesellschaft laut ihre Stimme erheben und eben nicht schweigen, wenn die offene, liberale und demokratische Gesellschaft von Rechtspopulisten unter Sturmfeuer genommen wird”.

Ganz anders lautet die Reaktion der Liste Pilz. Deren Abgeordnete Daniela Holzinger bezeichnete das Schächten als “brutales und unnötiges Vorgehen”. Die Pläne des Landes Niederösterreich, dieses Vorgehen nun weitestgehend einzuschränken und nur streng gläubigen Juden oder Muslimen Zugang zu dieser Art von Fleisch zu ermöglichen, gehen der Gesundheitssprecherin daher “nicht weit genug”.

Informationsschreiben stammte von SPÖ-Landesrat

Das Informationsschreiben unter “Betrifft: § 32 Tierschutzgesetz; Schlachten ohne Betäubung vor dem Blutentzug (Rituelle Schlachtung)” stammte noch vom niederösterreichischen SPÖ-Landesrat Maurice Androsch. Es erging am 20. September 2017 an alle Bezirkshauptmannschaften und die Magistrate der Statutarstädte. Das Schreiben liegt der APA vor.

Darin heißt es u.a.: “Festzuhalten ist jedoch, dass die Prüfung gemäß Tierschutzgesetz, ob ‘zwingende religiöse Gründe’ vorliegen, immer auf den Einzelfall, auf die konkrete Person bezogen, zu erfolgen hat, da es denkbar ist, dass für einzelne Personen die Vorschriften der Glaubensgemeinschaft aus persönlicher Überzeugung keinen zwingenden Charakter haben. Die ‘zwingenden religiösen Gründe’ haben daher immer eine maßgebliche persönliche Komponente, die bloße Religionszugehörigkeit genügt nicht den Bewilligungsvoraussetzungen.”

Info-Schreiben über Schächtung von SPÖ

Und weiter: “Als Bewilligungswerber kommen ausschließlich: Einzelpersonen, welche für sich das Vorliegen zwingender religiöser Ge- und Verbote geltend machen in Betracht.” Die Zugehörigkeit zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft könnte in der Praxis folgendermaßen dargelegt werden: “Auszüge aus einem Mitgliederverzeichnis, Vorlage eines Meldezettels, auf welchem das Religionsbekenntnis enthalten ist, diverse Dokumente, aus denen die Religionszugehörigkeit zweifelsfrei hervorgeht, etc.”, wird aufgelistet.

“Zu beachten ist allerdings, dass teilweise nur wenig außenwirksame/förmliche Akte erforderlich sind, um einer Glaubensgemeinschaft beizutreten. Eine bloße Berufung auf die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft wird jedenfalls nicht ausreichend sein”, heißt es außerdem.

Das Informationsschreiben war eine der letzten Amtshandlungen von Androsch als niederösterreichisches Regierungsmitglied. Androsch hatte am 20. September 2017 seinen letzten Arbeitstag als Landesrat. Am 21. September folgte ihm SPÖ-Landesvorsitzender Franz Schnabl in dieser Funktion, der nach der Landtagswahl im Jänner dieses Jahres zum Landeshauptfrau-Stellvertreter aufgestiegen ist.

Tierschutz: “Der Waldhäusl vollzieht es”

Der für Tierschutz zuständige niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) hat Kritik an der Einschränkung von Schächtungen neuerlich zurückgewiesen. Waldhäusl betonte am Donnerstag, dass er umsetze, was unter seinem SPÖ-Vorgänger Maurice Androsch begonnen wurde. Androsch wies diese Darstellung allerdings zurück. Scharfer Tadel kam von IKG-Präsident Oskar Deutsch.

Schächten ist laut Tierschutzgesetz nur unter bestimmten Auflagen erlaubt. Der ehemalige SPÖ-Landesrat Maurice Androsch hatte im September 2017 in einem Informationsschreiben über Rituelle Schlachtungen – damit ist Schlachten ohne Betäubung vor dem Blutentzug gemeint – festgehalten, dass die Prüfung zwingender religiöser Gründe immer auf den Einzelfall und eine konkrete Person bezogen erfolgen müsse. Die Info ging damals an die Veterinärabteilungen der Magistrate und die Bezirkshauptmannschaften.

Kritik an Einschränkung von Schächtung zurückgewiesen

Am 5. Juli 2018 – zu diesem Zeitpunkt war Waldhäusl zuständiger Landesrat – verfasste die Naturschutzabteilung des Landes Niederösterreich ein Schreiben an die Israelitische Kultusgemeinde (IKG). Die Behörde wies darauf hin, dass religiöse Gründe bei Schächtungen nur für konkrete Personen gelten gemacht werden könnten. Als möglichen Nachweis der Zugehörigkeit zu anerkannten Religionsgemeinschaften führte die Naturschutzabteilung Auszüge aus Mitgliederverzeichnissen, offizielle Dokumente oder ähnliche Unterlagen an.

Bei der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) interpretierte man dieses Schreiben so, dass Schlachthöfe und koschere Verkaufsstellen künftig Listen ihrer Kunden führen müssen. Nach ersten Medienberichten folgte ein Sturm der Entrüstung, auch israelische Medien berichteten kritisch über die Pläne in Niederösterreich.

Nun ist zwischen FPÖ und SPÖ ein Streit darüber entbrannt, wer Urheber des Vorhabens ist. Androsch erklärte am Donnerstag in einer Aussendung, dass sein Schreiben überhaupt nichts mit dem aktuellen Plan seines FPÖ-Nachfolgers zu tun habe. Die Information habe sich ausschließlich auf Personen bezogen, die Schlachtungen durchführen. “Waldhäusl will Listen von jenen Menschen anlegen, die geschächtetes Fleisch kaufen. Meine Information an die Behörden legt ausschließlich die Regeln fest, welche Voraussetzungen Personen erfüllen müssen, die selbst Schlachtungen durchführen, und wie das Bewilligungsverfahren der zuständigen Behörde abläuft”, berichtete Androsch.

Geschächtetes Fleisch nicht für alle zugänglich

FPÖ-Landesrat Waldhäusl sah dies indes anders. “Jeder der jetzt schreit, sollte vorher nachdenken. Wer hat das gemacht? Nicht der Waldhäusl, nicht die FPÖ, sondern ein roter Landesrat, der Waldhäusl vollzieht es”, erklärte der freiheitliche Landesrat im Ö1-“Mittagsjournal”.

IKG-Präsident Oskar Deutsch wies das Vorhaben im ORF-Radio vehement zurück. Er fühle sich an eine Zeit erinnert, von der er geglaubt habe, dass sie nie mehr kommen werde, spielte Deutsch offenbar auf die Judenregistrierungen unter den Nationalsozialisten an. Deutsch geht davon aus, dass es zu keiner Registrierung von Käufern koscheren Fleisches kommen wird. “Das wird so in diesem Lande nicht stattfinden. Wenn es die FPÖ will, dann sollen sie es wollen, aber so wird es hier nicht gespielt. Wir lassen uns auch unser Österreich, und wir leben alle sehr gerne in Österreich, wir lassen uns das nicht durch einige Leute madig machen”, erklärte Deutsch.

Israelische und Islamische Glaubensgemeinschaft betroffen

Waldhäusl betonte, dass die beiden Glaubensgemeinschaften – neben der Israelitschen Kultusgemeinde ist auch die Islamische Glaubensgemeinschaft von den Plänen betroffen – mit der gewählten Vorgangsweise bereits gut gelebt hätten. Diese sei auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. “Ich mache meine Arbeit, und die anderen sollten vielleicht ein bissel mehr lesen und nachdenken.”

Ausnahmen aus religiösen Gründen seien bei Schächtungen in Ordnung, man dürfe aber den Tierschutz nicht außer Acht lassen, so Waldhäusl. Daher prüfe man, ob der Bedarf an koscherem Fleisch an den Wohnsitz gekoppelt werden kann. “Da muss man schon darüber nachdenken, und so viel Recht nehme ich mir als Landesrat heraus, diese Komponente des Tierschutzes zu kontrollieren.”

In der niederösterreichischen ÖVP ist man über die aktuelle Diskussion nicht glücklich. Die Ermittlung des persönlichen Bedarfs aus religiösen Gründen sei schwierig, meinte ÖVP-Klubobmann Walter Schneeberger auf Ö1. “Das ist die Gretchenfrage. Es wird eine Art Registrierung geben müssen”, so Schneeberger, der eine Registrierung am Mittwoch noch ausgeschlossen hatte. “Wir arbeiten an einer praxisnahen Lösung. Ich wäre jetzt überfordert, ihnen diese Lösung zu sagen, wie sie aussieht. Die Sensibilität der Thematik macht es so schwierig.” In der ÖVP hofft man, dass man in den nächsten Wochen eine Neuregelung vorlegen kann.

Islamische Glaubensgemeinschaft gegen Registrierung

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) lehnt die in Niederösterreich angedachte Registrierung der Käufer koscheren Fleisches ab. “Es ist inakzeptabel, dass Mitbürgerinnen und Mitbürger aufgrund ihrer Religion stigmatisiert werden. Die Zeit des Registrierens von gläubigen Menschen ist endgültig und für alle Zeiten vorbei”, sagte IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun am Mittwoch.

APA/red

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