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Sarkozy hält trotz wütender Streiks an Reformen fest

Trotz abschmierender Umfragewerte und eines zunehmend gereizten Klimas bleibt der französische Staatschef cool. Schon seit vergangenem Dienstag schweigt er zu den Konflikten.

“Stopp”, titelt die Zeitung „Le Parisien“ flehentlich am Tag sieben des Eisenbahnerstreiks in Frankreich. Doch statt zu versanden, hat sich die Protestbewegung gegen die Reformen von Staatspräsident Nicolas Sarkozy massiv ausgeweitet: Mehr als eine Millionen Lehrer, Krankenhausmitarbeiter, Postler und Fluglotsen gingen an diesem „schwarzen Dienstag“ auf die Straße, um gegen Stellenabbau und für mehr Gehalt zu kämpfen.

Aber erst Ende der Woche werde er sich zum weiteren Vorgehen erklären, ließ sein Sprecher am Dienstag wissen. „Speedy-Sarko“ übt sich im Aussitzen. Der Grund: Im Elysee-Palast ist man guter Hoffnung, dass die Proteste der Eisenbahner schon in den kommenden Tagen in sich zusammenfallen und der Präsident als strahlender Sieger aus seiner bisher härtesten Kraftprobe hervorgeht.

Einiges spricht dafür. Die Gewerkschaften haben sich schon am Wochenende zu Verhandlungen über das Ende der Pensionsprivilegien der Eisenbahner bereiterklärt. Das Problem: Die Lokführer von Bahn (SNCF) und Pariser Verkehrsbetrieben (RATP) streiken trotzdem weiter. Und es wird bezweifelt, ob sie sich nach dem für den Mittwoch geplanten Verhandlungsbeginn umstimmen lassen. Und das, obwohl die Mehrheit der Franzosen ihren frühen Pensionsantritt mit 50 Jahren für ungerecht und die Sarkozy-Reform daher für überfällig hält.

Anders ist die Lage bei den 5,2 Millionen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes. Sie werden vergleichsweise schlecht bezahlt, und für ihre Forderung nach Gehaltserhöhungen hegen laut einer CSA-Umfrage 53 Prozent der Bevölkerung Sympathie. Sarkozy hat den Franzosen vor der Wahl mehr Geld im Portemonnaie versprochen, tatsächlich ist ihre Kaufkraft wegen des steigenden Ölpreises aber gesunken. Um sein Versprechen einzulösen, fehlt Sarkozy jetzt das Geld. „Groben Leichtsinn“ attestierte die Zeitung „Dernieres Nouvelles d’Alsace“ dem Staatschef daher. Alle Reformen würden schließlich daran gemessen, ob sie den Menschen mehr Wohlstand brächten.

Mit einem massiven Stellenabbau – beginnend mit 23.000 im kommenden Jahr – will Sarkozy die nötigen Mittel für höhere Gehälter freimachen. „Wir brauchen weniger, aber besser bezahlte Beamte“, lautet sein Credo. Doch dagegen laufen die Staatsdiener Sturm, insbesondere die Lehrer. Das angeschlagene Bildungswesen soll die Hälfte der Streichungen verkraften. Etwa 10.000 Menschen versammelten sich am Dienstag auf der Pariser Place d’Italie, um gegen die Reform zu protestieren.

Und während im Elysee-Palast weiter Funkstille herrscht, haben die Streiks die lange verstummten oppositionellen Sozialisten „aus dem Heilschlaf erweckt“, wie die linksgerichtete Zeitung „Liberation“ am Dienstag feststellte. Am Montag meldete sich PS-Parteichef Francois Holland mit selbstbewussten Vorschlägen zur Kaufkrafterhöhung zu Wort. Am Dienstag legte er nach, indem er Sarkozy Zeitverschwendung im Streik mit den Eisenbahnern vorwarf. Die Verhandlungen mit ihren Gewerkschaften hätten schon lange beginnen müssen, sagte Holland und weiß damit die entnervten Pendler und die stöhnende Wirtschaft hinter sich.

Laut Beratern des Präsidenten lässt sich Sarkozy von all dem nicht aus der Ruhe bringen. „Die Franzosen haben ihn gewählt, um Frankreich zu verändern“, zitierte „Le Monde“ einen von ihnen. „Er wird es machen, welche Hindernisse sich auch auftürmen.“

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