Als der 63-jährige Russe die Reihe “Brahms-Szenen” der Salzburger Festspiele am Dienstagabend mit vier großen, in den letzten Lebensjahren von Brahms entstandenen Fantasien und Intermezzi eröffnete, war die Lautstärke gedämpft, die Finger langsam und die musikalische Energie introvertiert. Aber diese unprätentiöse “Meditation über Brahms” erwies sich als kurzer und emotional intensiver Weg in die späte Welt des deutschen Wieners.
Bilanz eines langen Komponistenlebens
In Opus 116, 117, 118 und 119 hat sich Brahms seinem Tod entgegengespielt. Er zieht Bilanz über ein langes Komponistenleben und vertraut dem Flügel letzte Gedanken an, die längst nicht mehr in Worte zu fassen sind. Dabei ergibt eine Idee die andere und bleibt danach ausgefranst im Raum hängen. Brahms knüpft schon wieder eine neue an eines der vielen losen Enden. Fantasie und Zwischenspiel als Netz gegen den Tod?
Nichts in dieser Musik ist Behauptung. Alles fließt und könnte auch ganz anders fließen. Düster und melancholisch ist der Grundton, nur manchmal blitzt strahlender Friede durch. Oder doch bloß die Sehnsucht nach Glanz?
Einfühlsame Musik und Handyklingeltöne
Afanassiev ist kein Virtuose, der selber Held sein will. Ohne Pathos gibt er den schlichten Diener dieser Musik. Einen größeren Gefallen hätte er Brahms gar nicht tun können – und dem Publikum, das mit auf diese Reise ging. Zwar wollten manche Zuhörer ganz woanders hin und telefonierten während der Vorstellung hörbar mit dem Handy.
Manchem Zuhörer war die Reise zu beschwerlich, was als Dauer-Knarzen auf den Holzsesseln hörbar wurde. Und viele andere wiederum hatten kranke Atemwege und in lustig lautes Papier gehüllte Medizin. Aber die meisten meditierten mit Afanassiev und bekamen Brahms zu spüren. Großer Applaus am Ende für ruhige und klare Musik, in der nicht die technische Perfektion des Solisten, sondern das einfühlsame Nach-Denken besonderen Zauber entwickelte.
Insgesamt acht Konzerte mit Musik von Brahms
Insgesamt haben die Festspiele und ihr Konzertchef Markus Hinterhäuser acht Konzerte mit Musik von Brahms und seinen geistigen Verwandten im Großen Saal des Mozarteums angesetzt. Schon am Mittwoch, den 4. August kommt Diana Damrau, um mit Afanassiev, Hinterhäuser selbst, dem Zehetmair Quartett und weiteren Kollegen die kammermusikalische Fassung von “Ein deutsches Requiem” zu geben. Am Freitag trifft Brahms auf Schönberg und am Sonntag auf Reger und Schumann. Die bekanntesten Musiker der acht “Brahms-Szenen” heißen Tabea Zimmermann, Angelika Kirchschlager, Alexander Lonquich, Jörg Widmann, Andras Schiff, Christian Tetzlaff, Leif Ove Andsnes, Stefan Dohr und das Hagen Quartett.