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Salzburger Festspiele: "Elektra" begeistert mit Dramatik und Klang

Salzburg-Stadt - Auch wenn sich die Riege der internationalen Kritiker wohl nicht einig werden wird - für das Premierenpublikum war die Sache Sonntagabend im Großen Festspielhaus sonnenklar: "Elektra" von Richard Strauss, die vierte und letzte Opern-Neuproduktion der Salzburger Festspiele 2010, ist ein durchschlagender Erfolg.
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Bilder der Elektra-Probe
Salzburger Festspiele sind "nur" Durchschnitt
Riesenapplaus für die Künstler

Riesenjubel mit vielen Bravorufen für die Sänger, die Regie von Nikolaus Lehnhoff und die Wiener Philharmoniker unter Daniele Gatti. In den Applaus für Gatti und das Orchester mischten sich – zwar kaum wahrnehmbar, aber doch – ein paar wenige Buhs. Das müssen Gatti-Gegner aus Passion gewesen sein, die mit strahlend großem Orchesterklang nichts anfangen können.

So muss eine Strauss-Oper klingen

Zuhörer, die Strauss nicht mögen, wenn er präzise, groß und mächtig klingt. Transparent in allen Seitenthemen und Nebenstimmen und gleich darauf verhalten und geheimnisvoll. Da kam Dramatik in allen Farben aus dem Graben. Überwältigender Klang, ohne die “Elektra” als Ganzes dürr und schmächtig wirken würde. Die antike Tragödie über selbstzerstörerischen Hass und fanatischen Muttermord wurde von den Musikern plastisch greifbar modelliert. Genau so muss eine Strauss-Oper klingen – eine ganz große Leistung von Dirigent und Orchester.
Die Sänger waren gefordert

Daniele Gatti und das riesengroß besetzte Orchester entschieden sich für eine Dynamik, die nicht dazu gedacht war, die Sänger auf Händen zu tragen und – einer CD-Aufnahme gleich – von ganz weit hinten sachte zu begleiten. Das Blech zog alle Register und formte berauschende, oft auch schroffe Tutti-Effekte mit den fetten Streichern und dem quirligen Holz. Wie sich aus der Strauss’schen Satztechnik direkt ableiten lässt, interpretierte auch Gatti die Gesangslinie als Teil des Gesamtklanges. Das fordert die Sänger und verlangt ihnen Kraftakte ab, denen in der aktuellen Produktion nicht alle gewachsen waren. Zugegeben, auch die Textverständlichkeit nimmt ab. Aber die Wucht des Dramas geht schnurgerade unter die Haut.

Orchester rettet die Figur Elektra

Irene Theorin als Elektra war in dieser Zweistundentragödie permanent präsent und extrem gefordert. Was die stimmliche Kraft betrifft, schaffte sie diese Riesenpartie. Aber im Klang ist ihr Sopran nicht der kultivierteste. Die Schwedin kaschierte unüberhörbare Brüche in der Übergangslage und farblich aus der Reihe fallende Einzeltöne mit flächig großem Vibrato. Manchmal hörte man vor lauter Tremolo den eigentlichen Ton nicht mehr. Die animalisch todessehnsüchtige Figur wäre ohne die konturreiche und packende Unterstützung aus dem Orchestergraben wohl harmlos versandet.
Kleinere Rollen überzeugten auf hohem Niveau

Deutlich besser besetzt waren die vergleichbar kleineren Rollen. “Orest” Rene Pape mit seiner etwas steifen Figur überzeugte einmal mehr durch seinen warmen Bass, der in allen Lagen voluminös und trotzdem deutlich klingt. “Klytämnestra” Waltraud Meier blieb die Nummer eins in Sachen Text. Ihr ausgeglichener Mezzo funktioniert bruchlos und schön, und auch schauspielerisch gab sie der verzweifelten Gatten-Mörderin die anschaulichste Kontur. Auch Eva-Maria Westbroek als Chrysothemis agierte stimmlich und schauspielerisch auf ebenfalls sehr hohem Niveau und komplettierte ein “nur” in der Hauptrolle diskussionswürdiges Solistenensemble.
Die Regie war nur wenig spürbar

Und die Regie: Die war tatsächlich nur am Rande spürbar und muss sich daher auch in der Besprechung ganz hinten anstellen. Nikolaus Lehnhoff beschränkte sich auf eine karge Minimal-Regie mit eineinhalb starken Bildern. Raimund Bauer baute eine ruinenhaft gekippte, monumentale und archaische Burg von innen, die wie ein Gefängnishof wirkt. Nur durch Schießscharten kommt Licht von außen. Kaum Farben, nur Klytämnestra bringt Rot ins Spiel. Einmal durch ihr Kleid und dann durch ihr Blut, wenn am Ende das Burgtor geöffnet wird und die von Orest geschlachtete Mutter am Fleischerhaken hängt.

Das war’s aber auch schon an Regie. Nein, da ist noch von einer reichlich lächerlichen Taschenlampe und von Dämonen zu berichten, die ganz am Schluss aus der Erde kriechen und den Orest wegen seiner Bluttat bis ans Ende seiner Tage verfolgen werden. Lehnhoff hat die Regie im Musiktheater also doch nicht ganz kampflos aufgegeben.

Das Orchester macht “Elektra” wirkungsvoll und erfolgreich

Der Rest ist allerdings Statik. Zwar macht Lehnhoff die Abgründe zwischen den Menschen mit kluger Personenführung deutlich, Tempo, Spannung und Dramatik bringt er damit aber nicht ins Spiel. Zu hölzern leiden und hassen vor allem Elektra und Orest. Und Klytämnestras Geliebter Ägisth ist ein Dandy, während die Aufseherinnen und Mägde in die Roben von spießigen Gouvernanten oder arabischen Marktweibern schlüpfen müssen. Das tut niemandem weh. Die Wirkung, die Kraft und der Erfolg dieser Salzburger “Elektra” aber geht auf das Konto der Musiker.
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