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Saddam ist für Iraker kein Thema mehr

Obwohl die Brutalität und der Größenwahn Saddam Husseins den Alltag der Iraker fast drei Jahrzehnte lang bestimmt haben, denken viele seiner Landsleute ein Jahr nach seiner Festnahme kaum noch an den einstigen Diktator.

Das liegt in erster Linie daran, dass ein Albtraum durch den nächsten ersetzt wurde. Denn die Menschen im Zweistromland sind seit der Besetzung des Landes durch die US-Armee vollauf damit beschäftigt, ihr tägliches Leben zwischen Autobomben, Entführungen und Ausgangssperre in den Griff zu bekommen. Dabei ist die Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit schnell verblasst.

Doch hat sicher auch die demütigende Art und Weise, wie die US- Truppen Saddam am 13. Dezember 2003 in der Nähe seiner Heimatstadt Tikrit aus einem Erdloch zogen, dazu beigetragen, dass die Iraker nicht mehr viele Gedanken an den früheren Gewaltherrscher verschwenden. Vorher hatte die frühere Staatspropaganda vom unbezwingbaren Herrscher immer noch so stark nachgewirkt, dass etliche Iraker eine Rückkehr Saddams an die Macht nicht ausschließen wollten. Bei Demonstrationen in den Städten des „sunnitischen Dreiecks“ tauchte gelegentlich noch sein Bild auf.

„Heute fällt sein Name dagegen nicht einmal mehr bei den Diskussionen der politischen Gruppen, die gegen die Übergangsregierung und die amerikanische Besatzung kämpfen“, berichtet ein Beobachter in der irakischen Hauptstadt. „Für mich ist der Mann Geschichte“, erklärt ein Fernsehtechniker aus Bagdad.

Ironischerweise bemühen sich inzwischen vor allem frühere Oppositionsgruppen – wie die Kurdenparteien, die Kommunisten und die religiösen Schiitenparteien – darum, das Andenken an die Saddam-Ära wach zu halten. Immer wieder erinnern sie ihre Landsleute an die Gräueltaten des Ex-Diktators. Damit wollen sie denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die heute mit Sprüchen wie: „Autobomben, Entführungen und Terrorismus gab es im Irak früher nicht“, eine gewisse Saddam-Nostalgie pflegen und die meinen, der Preis für den Sturz des alten Regimes sei zu hoch gewesen.

Viele Iraker zweifeln zwar die von den US-Truppen verbreitete Version an, wonach Saddam bei seiner Gefangennahme in dem Erdloch gesagt haben soll: „Ich bin Saddam Hussein, der Präsident des Iraks, und ich will verhandeln“ – woraufhin ihm ein amerikanischer Soldat angeblich antwortete: „Präsident Bush lässt grüßen“. Auch dass er eine geladene Pistole bei sich gehabt haben soll, die er weder gegen die Soldaten noch gegen sich selbst richtete, glauben nicht alle.

Dennoch ist Saddams Ansehen weiter gesunken, seitdem er von den Amerikanern ins Gefängnis gesteckt wurde. Dies konnte er auch durch seinen streitlustigen Auftritt vor dem Haftrichter Anfang Juli nicht wettmachen, als er das Verfahren gegen sich als „Theater“ bezeichnete. Wann der Prozess gegen Saddam Hussein beginnen wird, ist unklar. Zu den Anklagepunkten gegen den einstigen Herrscher vom Tigris gehören der von ihm angeordnete Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabja 1988 sowie der Überfall auf das Nachbarland Kuwait 1990. Saddam Hussein droht die Todesstrafe.

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