Russlands Präsident Putin beklagte sich bei Scholz über Ukraine und Biden
Kiew versuche, die Gespräche zu verlangsamen und mache auch "unrealistische Vorschläge", meldeten russische Nachrichtenagenturen. Putin habe sich auch über die "täglichen persönlichen Beleidigungen" von US-Präsident Joe Biden an seine Adresse beschwert.
Russlands Präsident Putin über Bidens Aussagen
Bidens Aussagen seien Ausfluss von "Irritation, Müdigkeit und Vergesslichkeit", sagte Putin in offenkundiger Anspielung auf das Alter des US-Präsidenten. Dieser hatte Putin einen Kriegsverbrecher und "mörderischen Diktator" genannt. Putin habe Scholz auch gesagt, dass nicht der deutsche Kanzler zu entscheiden habe, wer Russland anführe, sondern das russische Volk. Der Kreml-Chef nahm damit offenbar Bezug auf Scholz' Aussagen, wonach es sich bei der Aggression gegen das Nachbarland allein um den Krieg Putins handle. Zugleich beklagte Putin, Kriegsverbrechen durch die ukrainische Armee. Beim Beschuss von Wohnvierteln in Donezk und Makijiwka habe es zahlreiche Todesopfer gegeben. "Diese Kriegsverbrechen wurden im Westen ignoriert", so Putin.
Putin habe Scholz gesagt, dass Russland bereit sei, innerhalb seines "grundsätzlichen Ansatzes" nach einer Lösung zu suchen, so der Kreml. Was das bedeutet, war unklar. Bisher hatte Moskau eine Demilitarisierung und Neutralisierung des Nachbarlandes sowie eine Anerkennung der von Russland annektierten bzw. kontrollierten Gebiete zur Bedingung gemacht.
Ukraine: Scholz drängte Russlands Präsident Putin zu Waffenstillstand
Aus Berlin hieß es zu dem Gespräch, dass Scholz Putin zu einem sofortigen Waffenstillstand und Fortschritten bei einer diplomatischen Lösung gedrängt habe. Das Telefonat habe knapp eine Stunde lang gedauert. Wie sowohl der Kreml als auch der Elysee-Palast mitteilten, war auch noch ein Telefonat Putins mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplant, der in den vergangenen Wochen mehrmals mit Putin telefoniert hatte.
Russland: Putin bei Meeting von Sicherheitsrat
Im Anschluss teilte der Kreml mit, dass Putin zu Mittag an einem Treffen des nationalen Sicherheitsrates teilnehmen werde. Für 15.00 Uhr (13.00 Uhr MEZ) sei dann auch eine Fernsehansprache Putins geplant, hieß es vom Staatsfernsehen.
Zuvor hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow die bekannten russischen Vorwürfe gegen den Westen bekräftigt. Russland habe jegliche Illusion verloren, dass es sich auf den Westen verlassen könnte, sagte Lawrow. Die Regierung in Moskau werde niemals eine Weltanschauung akzeptieren, die von den USA dominiert ist. Die USA wollten, dass die Welt wie ein Saloon aussehe, in dem die Amerikaner das Sagen haben. "Es gibt viele Länder, die nicht die Anweisungen von 'Uncle Sam' entgegennehmen wollen." Nicht Russland schlage die Tür zum Westen zu, der Westen tue das, sagte Lawrow. Zugleich betonte er, dass Russland seine Wirtschaft an die von zahlreichen Ländern verhängten Strafmaßnahmen wegen der Invasion der Ukraine anpassen werde. "Wir werden die Sanktionen überleben. Sanktionen machen uns stärker."
Russisches Ziel in puncto Ukraine
Lawrow bekräftigte zudem das russische Kriegsziel mit Blick auf die Ukraine. "Unser Ziel ist es, jegliche Bedrohung Russland von ukrainischem Gebiet zu entfernen", sagte er. Moskau hatte die vor drei Wochen begonnene völkerrechtswidrige Aggression gegen das Nachbarland damit begründet, es zu "entnazifizieren" und einen vermeintlichen "Genozid" zu stoppen. Auch sei man einem ukrainischen Angriff zuvorgekommen, und überhaupt hätte das Nachbarland bald Atomwaffen haben können.
Die Ukraine hatte seine Atomwaffen mit dem Budapester Memorandum im Jahr 1994 an Russland abgegeben. Im Gegenzug hatte Russland gemeinsam mit den USA und Großbritannien ein Bekenntnis zur territorialen Integrität und Souveränität abgegeben. Nach einem politischen Umsturz Anfang 2014 war Russland im Nachbarland eingefallen und hatte die Halbinsel Krim annektiert sowie Teile der östlichen Regionen Luhansk und Donezk von Separatisten unter Kontrolle bringen lassen.
Ukrainische Kritik an Deutschlands Kanzler Scholz
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wegen dessen entlastenden Äußerungen zur Verantwortung des russischen Volkes für den Krieg kritisiert. Scholz wolle damit nur seine Unentschiedenheit rechtfertigen, schrieb Podoljak am Freitag auf Telegram. Der Kanzler hatte am Vorabend gemahnt, Russland nicht mit Präsident Wladimir Putin gleichzusetzen.
"Nicht das russische Volk hat die fatale Entscheidung des Überfalls auf die Ukraine getroffen. Dieser Krieg ist Putins Krieg", sagte Scholz. Diese Unterscheidung verbreite sich in Europa, sei aber falsch, schrieb Podoljak. Nach Umfragen befürworte eine Mehrheit der russischen Bevölkerung den Krieg und damit das Töten von Ukrainern. Der Berater ist zuständig für außenpolitische Stellungnahmen des ukrainischen Präsidialamtes und informiert auch über die laufenden Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau.
(APA/Red)