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Russland: Yukos rechnet mit Konzernpleite

Unmittelbar vor dem Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag in Moskau hat sich die Lage um den vor der Pleite stehenden Ölkonzern Yukos zugespitzt.

„Trotz aller Erklärungen des Präsidenten und der Regierung macht das harte Eingreifen der Steuerbehörden eine Yukos-Pleite immer wahrscheinlicher“, zitierten russische Agenturen am Dienstag den Konzernsprecher Alexander Schadrin. Am Mittwochabend läuft für den größten russischen Ölkonzern die Frist zur Zahlung von Steuerschulden in Höhe von 2,8 Mrd. Euro ab. Nach eigenen Angaben kann Yukos dies mit Barmitteln nicht begleichen.

Bisher haben die Steuerbehörden Nachzahlungen in Höhe von umgerechnet 5,5 Mrd. Euro für die Jahre 2000 und 2001 von Yukos gefordert. Die Justiz rechnet mit weiteren Forderungen für die Jahre 2002 und 2003. „Das ist wie eine Lawine. Es gibt einen Anfang, doch das Ende ist nicht abzusehen“, sagte Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow in Moskau.

Mehrere Analysten schätzen den endgültigen Betrag, den Jukos nachzahlen muss, mittlerweile auf zehn bis zwölf Mrd. Dollar. Dies wäre fast der gesamte derzeitige Börsenwert von Jukos, der bei rund 13 Mrd. Dollar liegt. Grund ist der rasante Kursverfall seit dem Frühjahr vergangenen Jahres, als das Unternehmen noch rund 30 Mrd. Dollar wert war.

Präsident Wladimir Putin hatte Mitte Juni gesagt, seine Regierung habe kein Interesse an einer Yukos-Pleite. Die Entscheidung läge aber bei den Gerichten.

Der Chefökonom der Weltbank in Moskau, Christof Rühl, warnte vor negativen Auswirkungen der Yukos-Affäre in Russland. „Es besteht die Gefahr, dass die wirtschaftliche Stabilität untergraben wird“, sagte Rühl der dpa. Die Entwicklung sei auch für die deutsche Wirtschaft von Bedeutung. „Die Wirtschaftsvertreter, die mit Schröder nach Moskau reisen, sind an einem stabilen Investitionsstandort und Rechtssicherheit interessiert“, betonte Rühl.

Mit Schröder reisen unter anderem Spitzenmanager von Siemens, Lufthansa, Deutsche Bank, Commerzbank und Ruhrgas nach Moskau. Commerzbank und Deutsche Bank gehören nach Medienberichten zu einem internationalen Gläubigerkonsortium, das Yukos einen Kredit über insgesamt eine Milliarde Dollar (810 Mio Euro) gekündigt hat. Russland ist der größte Öllieferant für Deutschland.

Westliche Fondsgesellschaften, darunter auch deutsche, fordern ein rasches Treffen mit der russischen Regierung. Der Fall Yukos habe den Fondsgesellschaften bereits hohe Verluste beschert, heißt es in einem Brief an Putin. Die Fondsgesellschaft der deutschen Sparkassen, Deka Investment, bestätigte, noch an Yukos beteiligt zu sein. Die DekaBank dementierte aber Berichte, wonach sie den Brief an Putin mit unterschrieben habe.

Deutsche Fondsgesellschaften rechnen derzeit mit dem Schlimmsten. „Das Ganze ist eine Black Box und nicht mehr durchschaubar“, sagte Rolf Drees, Sprecher von Union Investment, der dpa-AFX. „Die Gefahr, dass ein Teil der Investitionen weg sein könnte, ist selbstverständlich vorhanden.“ Auch ein Manager einer andere großen deutschen Fondsgesellschaft äußerte sich skeptisch: „Mit der ökonomischen Raison kann man das Ganze nicht mehr erklären. In Russland muss man derzeit mit allem rechnen.“ Einige Fondsmanager haben bereits die Notbremse gezogen und ihren Anteil zum Teil oder ganz verkauft.

Im russischen Finanzministerium wurde die Möglichkeit eines Kompromisses mit Yukos nicht ausgeschlossen. Es bestehe theoretisch noch die Möglichkeit, die fälligen Steuernachzahlungen vor Ablauf der Frist umzuschulden, sagte der stellvertretende Finanzminister Sergej Schatalow in Moskau.

Sollte Yukos wie allgemein erwartet zum Donnerstag in Verzug geraten, können die Behörden einen Zahlungsbefehl erwirken. Wie schnell jedoch das Insolvenzverfahren eingeleitet wird, hängt nach Einschätzung westlicher Wirtschaftsexperten vom Druck der Gläubiger ab. Neben den Steuerbehörden machen auch der Yukos-Mehrheitseigner Menatep und das westliche Bankenkonsortium als Kreditgeber Forderungen gegen Yukos geltend.

Eine Insolvenz des Konzerns muss nicht unbedingt eine Zerschlagung zur Folge haben. Beobachter erwarten, dass die Anteile des Mehrheitseigners Menatep an den Staat oder staatsnahe Unternehmen übergehen. Hinter Menatep steht der beim Kreml in Ungnade gefallene Großunternehmer Michail Chodorkowski. Der ehemalige Yukos-Konzernchef steht wegen mutmaßlicher Betrugsdelikte in Moskau vor Gericht.

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