Aus dem russischen Staatsarchiv für Literatur und Kunst in Moskau seien Gemälde im Wert von „mehreren Millionen Dollar“ verschwunden, beklagte Jewgeni Streltschik von der Behörde zum Schutz des Kulturerbe, Rosochrankultura, am Dienstag.
Die genaue Zahl der gestohlenen Werke werde noch geprüft. Die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS berichtete von 2.000 gestohlenen Bildern des Avant-Garde-Malers und -Architekten Jakow Tschernikow. Ein Vertreter des russischen Rechnungshofes warf der Regierung vor, Kunstdiebstähle durch mangelnde Kontrollen zu begünstigen.
Von den aus dem Staatsarchiv gestohlenen Gemälden seien 274 bei verschiedenen russischen Antiquitätenhändlern wiederentdeckt worden, berichtete Streltschik. Weitere neun Tschernikow-Werke seien für eine Auktion bei Christie’s in London vorgesehen gewesen. Die Versteigerung sei jedoch gestoppt worden, nachdem die Nachfahren des Künstlers nachweisen konnten, dass die Bilder aus dem Moskauer Staatsarchiv stammten.
Ein ranghoher Beamter des russischen Rechnungshofes warf der Regierung in Moskau vor, in der Eremitage ein System zu dulden, in dem die dortigen Schätze „ohne jede Kontrolle und straffrei“ gestohlen werden könnten. Bei Kontrollen in dem berühmten Kunstmuseum sei der Rechnungshof bereits 1999 auf gröbste Verstöße gegen das System zum ordnungsgemäßen Verzeichnen der Kunstschätze gestoßen, sagte Juri Boldirew am Dienstag im Radiosender Moskauer Echo. Nach Ansicht der Rechnungsprüfer seien damals polizeiliche Ermittlungen zwingend notwendig gewesen. Von oben sei den Ermittlern jedoch die Anweisung erteilt worden, sich nicht in die Affäre einzumischen. Dies lasse den Schluss zu, „dass die Regierung ein System fördert, in dem die Schätze der Eremitage gestohlen und die Originale durch Fälschungen ersetzt werden“, beklagte der Rechnungsprüfer.
Schlamperei in der Eremitage habe den Seriendiebstahl erst ermöglicht, sagte der Vizechef der Behörde zum Schutz russischer Kulturgüter, Anatoli Wilkow, der Tageszeitung „Kommersant“ (Dienstagausgabe). Im Fall Eremitage kommentierte die Zeitung „Kommersant“, der Diebstahl von letztlich „zweit- oder drittrangigen Kunstobjekten“ werde zum Vorwand genommen, um die Selbstständigkeit der Museen zu beschneiden. Wegen ihrer knappen staatlichen Budgets finanzieren sich die großen russischen Museen in erster Linie durch Ausstellungen im Westen. Diese finanzielle Unabhängigkeit versuchten die russischen Kulturbehörden schon seit längerem gegen den Widerstand der Museumsdirektoren einzuschränken.
Vergangene Woche hatte die Petersburger Eremitage den Diebstahl von 221 Kunstobjekten im Wert von umgerechnet rund 3,9 Millionen Euro aus ihren Beständen festgestellt. Offenbar steckte die Familie einer mittlerweile verstorbenen Museumskonservatorin hinter dem Raub; ihr Ehemann und der gemeinsame Sohn sowie ein weiterer Verdächtiger wurden von der Polizei festgenommen. Die Eremitage ist mit einem Fundus von mehr als zweieinhalb Millionen Kunstwerken eines der größten und wichtigsten Museen der Welt. Rosochrankultura-Chef Boris Bojarskow beklagte die schlechten Sicherheitsbedingungen in den russischen Museen sowie eine Unterfinanzierung der russischen Kultur.