Russland rückt weiter westwärts
Einen Tag nach der engeren Einbindung des Landes in die NATO erkannte die Europäische Union am Mittwoch als erste Wirtschaftsmacht überhaupt Russland offiziell als Marktwirtschaft an. Eine entsprechende Zusage machte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. Putin sagte, „die Beerdigung des Kalten Krieges“ sei damit endlich vorbei.
Die Anerkennung als Marktwirtschaft gilt als wichtiger Schritt für den seit langem angestrebten Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO). Prodi erklärte: „Wir haben unser Versprechen gehalten.“ Als einer der größten Handelspartner Russlands sei es nur fair, dass die EU als Erste Russlands Status einer Marktwirtschaft anerkenne. Dies sei auch eine Belohnung für die umfangreichen Reformbemühungen Russlands in den vergangenen Jahren zu sehen.
Zurzeit gehen 35 Prozent aller russischen Exporte in die EU. Nach der EU-Erweiterung wird sich dieser Wert auf rund 50 Prozent erhöhen. Für die EU ist Russland derzeit der sechstgrößte Exportmarkt. Eine Zusage wie jetzt von der EU gemacht hat Putin bislang vergeblich auch von US-Präsident George W. Bush gefordert. US-Handelsminister Don Evans hat allerdings eine Entscheidung darüber bis zum 14. Juni angekündigt.
In der Sicherheitspolitik war Putin dagegen erfolgreicher. Auf dem NATO-Russland-Gipfel am Dienstag in Rom hatten beide Seiten ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Russland in Fragen wie der Terrorbekämpfung künftig gleichberechtigt mit den NATO-Staaten an einem Tisch sitzt.
Weiteres Thema des eintägigen Gipfels war der Streit um den Status der russischen Enklave Kaliningrad (Königsberg) nach der EU-Erweiterung. Putin sagte, die künftige Beziehungen zwischen der EU und Russlands würden maßgeblich vom Ausgang dieser Frage abhängen. Prodi wollte am Dienstag aber keine Zugeständnisse machen, erklärte aber: „Wir glauben, dass wir das Problem lösen werden.“
Nach der für 2004 geplanten EU-Erweiterung wird Kaliningrad von EU-Staaten umringt sein. Bislang genießen die Bewohner der Enklave, die von Kriminalität und Korruption geplagt ist, Visa-Freiheit bei der Einreise nach Polen und Litauen. Die EU möchte dies nach der Erweiterung ändern, stößt dabei aber auf den Widerstand Russlands.
Weitere Themen des Treffens waren die Energiepolitik sowie die Sicherheit von Atomkraftwerken. Die EU-Delegation wurde neben Prodi angeführt vom amtierenden Ratsvorsitzenden und spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar. Zudem nahmen der Außenpolitische EU-Vertreter Javier Solana sowie die EU-Kommissare für Äußeres, Handel und Energie, Chris Patten, Pascal Lamy und Loyola de Palacio an den Gesprächen teil.