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Russland: Putin entlässt nordossetischen Minister

Nach dem katastrophalen Ende der Geiselnahme von Beslan hat Russlands Präsident Wladimir Putin erste personelle Konsequenzen unter ranghohen Verantwortlichen gezogen.

Der Kreml-Chef entließ am Samstag den nordossetischen Innenminister und den regionalen Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, wie russische Nachrichtenagenturen berichteten. Unterdessen wurde der mutmaßliche Chef des Geiselnehmer-Kommandos nach Behördenangaben unter den 31 getöteten Kidnappern identifiziert. Das mit der Untersuchung der Geiselnahme betraute russische Oberhaus richtete eine Hotline für Zeugenaussagen und sachdienliche Hinweise ein.

Kasbek Dsantijew und FSB-Chef Waleri Andrejew hätten ihre Posten räumen müssen, hieß es unter Berufung auf den Pressedienst des Kreml. Putin teilte seine Entscheidung nach einem Treffen mit Nordossetiens Präsident Alexander Dsasochow mit. Die Bevölkerung in der Region wirft den Behörden vor, dem schwer bewaffneten Kommando von Geiselnehmern ermöglicht zu haben, in die Teilrepublik einzudringen und unbehelligt bis zur Schule in Beslan zu gelangen. Die Menschen verdächtigen Polizeibeamte, von den Geiselnehmern bestochen worden zu sein.

Der einzige überlebende Geiselnehmer habe seinen Anführer identifiziert, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax am Samstag unter Berufung auf den stellvertretenden Generalstaatsanwalt Wladimir Koslenikow. Dennoch gebe es weiter Zweifel und die Ermittler schlössen nicht aus, dass der Kopf des Kommandos doch entkommen konnte. Als Chef der Geiselnehmer gilt der 32-jährige Ruslan Chutschbarow alias „Oberst“, der ein Vertrauter des tschetschenischen Rebellenführers Schamil Bassajew sein soll.

Der Vizepräsident des russischen Föderationsrates, Alexander Torschin, veröffentlichte am Samstag eine Telefonnummer für die Zeugen-Hotline. Die Untersuchungskommission soll am 20. September ins Leben gerufen werden. Präsident Putin hatte sich lange geweigert, ein solches Gremium einzurichten. Bei dem blutig zu Ende gegangenen Geiseldrama in einer Schule der nordossetischen Stadt Beslan kamen vor einer Woche mindestens 339 Menschen ums Leben. Zu den Umständen des Kidnappings gibt es zahlreiche Unklarheiten.

Unterdessen verlangten wütende und trauernde Angehörige von Opfern des Geiseldramas vergeblich ein Gespräch mit Nordossetiens Präsident Alexander Dsasochow. Ein Dutzend in schwarz gekleidete Frauen versammelte sich am Samstag vor dem Amtssitz des Präsidenten in der Hauptstadt Wladikawkas. In einer dreistündigen Demonstration verlangten sie eine Erklärung, wie ihre Angehörigen ums Leben gekommen seien. Verschiedene Minister vertrösteten die Trauernden auf ein späteres Treffen, weil Dsasochow in Moskau sei. Dem Präsidenten wird vor allem vorgeworfen, trotz eines entsprechenden Ersuchens nicht persönlich mit den Kidnappern verhandelt zu haben.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow räumte im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt Mängel bei der Geheimdienstarbeit ein. Die Regierung habe zu wenig Informationen über die Rebellen in der abtrünnigen Kaukasusrepublik. Ohne diese Erkenntnisse könne „dieser unsichtbare Feind“ nicht besiegt werden.

Bei der Suche nach den tschetschenischen Rebellenführern Schamil Bassajew und Aslan Maschadow will Moskau auch mit Mitgliedern illegaler Gruppierungen zusammenarbeiten. Ein Sprecher des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB sagte, auch solche Gruppen hätten ein Anrecht auf das auf die beiden Männer ausgesetzte Kopfgeld von gut acht Millionen Euro. Moskau sieht Bassajew und Maschadow als Drahtzieher der Geiselnahme in einer Schule der nordosssetischen Kleinstadt Beslan an.

Der ehemalige tschetschenische Präsident Maschadow wies nach Angaben seines Vertreters in Europa Vorwürfe des Kremls zurück, er habe das Geiseldrama von Beslan mitinitiiert. Der in London lebende Sprecher der tschetschenischen Rebellen, Achmed Sakajew, sagte dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, man habe sich im Gegenteil zu Vermittlungsbemühungen bereit erklärt.

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