Russland erneut wegen Verschleppung von Tschetschenen verurteilt
Die Vorfälle ereigneten sich in den Jahren 2000 bis 2006, seither fehlt von den Männern jede Spur. Somit sei davon auszugehen, dass sie mittlerweile tot seien, heißt es in dem Urteil des Straßburger Gerichts. Das älteste Opfer war zum Zeitpunkt seiner Verschleppung 54 Jahre alt, das jüngste 18.
Suche nach Verschleppten gescheitert
Die rund 90 Kläger berichteten übereinstimmend, bewaffnete Soldaten in Tarnuniformen, die akzentfrei Russisch sprachen, seien nachts in ihre Häuser eingedrungen und hätten ihre Angehörigen mitgenommen. Alle Versuche, die Verschollenen aufzuspüren, seien gescheitert.
Ermittlungen wiederholt ausgesetzt
Moskau bestreitet, dass die Männer von russischen Soldaten verschleppt wurden. Die russische Justiz leitete Ermittlungen ein, die wiederholt ausgesetzt wurden und noch heute nicht abgeschlossen sind. Wie bei zahlreichen früheren Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und anderen zu Russland gehörenden Kaukasus-Republiken sei kein einziger Täter ermittelt und zur Verantwortung gezogen worden, rügte der Straßburger Gerichtshof. Moskau habe auch keinerlei plausible Erklärung für das Verschwinden der Männer vorgebracht.
Keine gründliche Beweisaufnahme
Alle Strafverfahren wiesen dem Urteil zufolge die gleichen Mängel auf: Die Ermittlungen wurden zu spät aufgenommen, es gab keine gründliche Beweisaufnahme, mögliche Zeugen wurden nicht verhört. Russland habe damit nicht nur gegen die Grundrechte auf Schutz des Lebens und der Freiheit verstoßen, sondern auch gegen das Recht auf ein wirksames Gerichtsverfahren, heißt es in dem Urteil.
2012: 122 Urteile gegen Moskau
Außerdem lasse Moskau die Angehörigen seit vielen Jahren in Ungewissheit über das Schicksal der Verschollenen. Dies verstoße gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung. Russland ist seit Jahren das Europaratsland, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am häufigsten gerügt wird. Allein im Jahr 2012 erließen die Straßburger Richter 122 Urteile gegen Moskau, unter anderem wegen der Verschleppung und Tötung von Zivilisten in Tschetschenien. (APA/AFP)