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Russischer Ex-Spion wurde vergiftet

Nach dem Tod des ehemaligen russischen Spions Alexander Litwinenko haben sich die Hinweise auf eine Vergiftung durch radioaktives Material verdichtet. Abschiedsbrief |  

Im Urin des Verstorbenen seien „große Mengen“ Alphastrahlung, „möglicherweise ausgelöst durch eine Substanz namens Polonium 210“, gefunden worden, sagte der Strahlenexperte Roger Cox von der britischen Behörde für Gesundheitsschutz (HPA) am Freitag in London.

Litwinenko war am Donnerstagabend gestorben. In einem Abschiedsbrief machte er Russlands Präsident Wladimir Putin für seine tödliche Erkrankung verantwortlich. Putin sprach in einer ersten Reaktion von einer „politischen Provokation“. Der russische Präsident wies alle Anschuldigungen zurück, wonach er die Ermordung des Regimegegners angeordnet haben soll.

Scotland Yard intensivierte die Fahndung nach den unbekannten Tätern und durchsuchte dabei auch mehrere Gebäude sowie die Wohnung Litwinenkos nach Spuren des radioaktiven Metalls. Die Chefin der britischen Gesundheitsbehörde, Pat Troop, sagte, es sei noch zu ermitteln, ob der Kreml-Kritiker die hohe Dosis Polonium beim Essen, Einatmen oder über eine Wunde aufnahm.

Die HPA-Chefin sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Strahlenexperten Cox, der Fall Litwinenko sei ein „bisher einmaliges Ereignis“. Niemals zuvor sei in Großbritannien ein Mensch vorsätzlich mit radioaktivem Material vergiftet worden. Litwinenko habe eine hohe Strahlendosis aufgewiesen. Polonium, das 1898 von der Forscherin Marie Curie entdeckt wurde, ist schon in winzigen Dosen hochgiftig und löst irreparable Schäden an Nieren, Leber und Milz aus. Troop sagte dem Sender Sky News, die Polizei habe in dem Restaurant und in dem Hotel „geringe Mengen“ einer radioaktiven Substanz gefunden. Das Risiko für die Öffentlichkeit sei gering. Die Polizei wollte diese Angaben nicht kommentieren. Fernsehbilder zeigten Experten in weißen Schutzanzügen, die unter anderem in der Nähe von Litwinenkos Haus im Einsatz waren.

Die britische Regierung stuft den Tod des Ex-Spions als „ernste Angelegenheit“ ein. Dies sei auch der russischen Seite vermittelt worden, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Freitag in London. Sie lehnte eine weitere Stellungnahme unter Hinweis auf laufende Ermittlungen ab.

Nach britischen Medienberichten gehen die Ermittler unter anderem Hinweisen darauf nach, dass Litwinenko am 1. November dadurch vergiftet wurde, dass ihm die radioaktive Substanz in ein Getränk gemischt wurde. Er hatte sich an dem Tag nach Angaben eines Freundes mit zwei Russen in einem Hotel zum Tee getroffen. Einer der Männer soll ein früherer KGB-Mitarbeiter gewesen sein.

Laut der Gesundheitsbehörde ist es auch noch zu früh für eine klare Aussage, ob eine Strahlengefährdung für andere Besucher des Londoner Restaurants bestand, in dem Litwinenko am 1. November aß, bevor er krank wurde. Innenminister John Reid sagte, es werde an verschiedenen Orten nach radioaktiven Rückständen gesucht.

Der einstige Agent des Sowjetgeheimdienstes KGB sowie dessen Nachfolger FSB war am Donnerstagabend nach dem Versagen innerer Organe gestorben. Die Mediziner am University College Hospital, in dem Litwinenko behandelt worden war, wussten nach eigenen Angaben bis zuletzt nicht, welche Substanz für seinen rasanten körperlichen Verfall gesorgt hatte. Erste Vermutungen, es handle sich um radioaktives Thallium, waren wieder revidiert worden.

In seiner Erklärung, die Litwinenko nach Angaben der Familie am vergangenen Dienstag diktierte, warf er Putin vor, sich als „genauso barbarisch und unbarmherzig erwiesen“ zu haben, wie die meisten seiner Kritiker dies behauptet hätten. Er fügte hinzu: „Gott möge Ihnen vergeben, für das, was Sie mir und dem geliebten Russland und seinem Volk angetan haben.“ Freunde und Verwandte Litwinenkos hatten Moskau bereits zuvor öffentlich beschuldigt, die Vergiftung des Regimekritikers befohlen zu haben. „Dieses Regime ist eine tödliche Gefahr für die Welt“, sagte Litwinenkos Vater Walter in London.

Litwinenko lebte seit 2000 in London im Exil. Vor kurzem hatte er die britische Staatsbürgerschaft bekommen. Er hatte zuerst 1998 Schlagzeilen gemacht, als er behauptete, vom FSB, dessen Chef damals Putin war, den Befehl zur Ermordung des russischen Milliardärs Boris Beresowski bekommen zu haben. Später behauptete er, es sei der FSB gewesen, der 1999 mehrere Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland verübt habe, um einen Vorwand für den zweiten Tschetschenien-Krieg zu haben.©Zuletzt beschäftigte sich Litwinenko mit Recherchen zur Ermordung der regimekritischen russischen Journalistin Anna Politkowskaja. Sie war am 7. Oktober in Moskau erschossen worden.

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