Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, man werde das Militär wie angekündigt bis Freitag um Mitternacht aus dem georgischen Kerngebiet abgezogen haben. Georgische Medien berichteten am Freitag, Russlands Armee ziehe sich langsam zurück, betreibe aber weiter Kontrollposten in Gori, Sugdidi und anderen Städten.
“Falls sie gehen sollten, dann im Schneckentempo”, sagte der US-Befehlshaber in Europa, General John Craddock, zum Abschluss einer zweitägigen Inspektionsreise in Georgien. “Es ist viel zu wenig und viel zu langsam.” Die russischen Streitkräfte haben indes am Freitag mit dem Abzug aus der besetzten georgischen Stadt Gori begonnen, wie der Chef des georgischen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja, mitteilte. Zuvor hatte der Regionalgouverneur Wladimir Wardselaschwili berichtet, rund 40 russische Militärfahrzeuge seien aus der strategisch wichtigen Geburtsstadt des sowjetischen Diktators Josef Stalin (urspr. Dschugaschwili) in Richtung Norden abgerückt.
Russland will nach dem Abzug des Großteils seiner Truppen eine Pufferzone um die abtrünnige Region Südossetien einrichten, die Teile des georgischen Kernlandes umfasst. Die Kontrollpunkte würden mit der zur Aufrechterhaltung der Sicherheit erforderlichen Anzahl an Soldaten besetzt, erklärte das Verteidigungsministerium. Die Sicherheitszone stehe in Übereinkunft mit der nach dem Krieg mit Georgien geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarung.
US-Präsident George W. Bush äußerte die Erwartung, dass Russland den Truppenrückzug wie in dem von Präsident Dmitri Medwedew unterzeichneten Sechspunkteplan der EU vorgesehen vollständig zurückzieht. Er habe dies gegenüber dem georgischen Präsidenten Micheil (Michail) Saakaschwili bekräftigt, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses, Gordon Johndroe. Saakaschwili habe Bush am Donnerstag angerufen.
Unterdessen erreichten erste Hilfsorganisationen Gori. “Die Verteilung von Essen und Hygieneartikeln verlief gut, ein Schritt in die richtige Richtung”, sagte die Direktorin des US-Entwicklungshilfeprogramms (USAID), Henrietta Holsman Fore. Die russischen Streitkräfte hätten es den Angehörigen von USAID bisher nicht erlaubt, selbst in die von ihnen besetzten Gebiete einzureisen und sich selbst ein Bild von der Lage zu verschaffen.
Die EU-Kommission in Brüssel hat die humanitäre Hilfe für die Opfer des Kaukasus-Konflikts in Georgien um 5 Millionen Euro aufgestockt. Mit dem Geld, das zu der bisherigen Soforthilfe von einer Million Euro hinzukommt, sollen Lebensmittel, Notunterkünfte, Wasser, Sanitätseinrichtungen, Kleidung und medizinische Versorgung für Flüchtlinge bereitgestellt werden, teilte die Kommission am Freitag mit. Der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Louis Michel appellierte an Russland, humanitären Hilfsorganisationen vollen Zugang zu den Betroffenen zu gewähren.
Die von Tiflis abtrünnige Region Südossetien hat Russland am Freitag zur Anerkennung ihrer Unabhängigkeit aufgefordert. Das südossetische Parlament habe eine formale Anfrage an den russischen Präsidenten Medwedew und an das russische Oberhaus gesandt, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Südossetien erfülle alle Voraussetzungen für eine Eigenstaatlichkeit, hieß es in der Anfrage. Die Region gehört völkerrechtlich zu Georgien, strebt aber nach Abspaltung und steht unter russischem Einfluss.
Als erster ranghoher UNO-Vertreter reiste am Freitag Flüchtlingskommissar Antonio Guterres nach Südossetien. Im Krisengebiet benötigen nach Angaben des UNHCR mehr als 25.000 Menschen humanitäre Hilfe. Ab Montag sollen Beobachter der OSZE den Waffenstillstand in der Region überwachen.
Berichterstatter des Europarates haben eine Bestrafung Russlands für die Invasion und teilweise Besetzung Georgiens durch russische Truppen gefordert. “Die Besetzung von Teilen Georgiens durch russische Truppen und die Menschenrechtsverletzungen in den Gebieten unter russischer Kontrolle können nicht ungestraft bleiben”, hieß es in der Erklärung des ungarischen Liberalen Matyas Eörsi und des albanischen Sozialisten Kastriot Islami, der Georgien-Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung der Staatenorganisation, am Freitag in Straßburg.