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Russisch-orthodoxer Patriarch Aleksij II. besucht Österreich

Im Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen ist die Frage des Primats nach wie vor das größte Problem - Russisch-orthodoxe Kirche drängt auf Anerkennung ihrer Diözese in Österreich.

Vom 20. bis 23. Dezember dieses Jahres wird das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Aleksij II., Österreich besuchen. Wie der Wiener russisch-orthodoxe Bischof Hilarion (Alfejew) am Donnerstag im Gespräch mit “Kathpress” betonte, ist die Weihe der restaurierten Wiener russischen Nikolauskathedrale Anlass des Besuches des Patriarchen. Es handle sich um einen Pastoralbesuch bei der ständig wachsenden russisch-orthodoxen Gemeinde in Österreich, es werde aber auch starke ökumenische Akzente geben. Die Nikolauskathedrale ist die größte russisch-orthodoxe Kirche in Westeuropa; sie wird im Dezember nach fünfjährigen Restaurierungsarbeiten wieder in neuem Glanz erstrahlen.

Vorgesehen sind weiterhin Begegnungen des Patriarchen mit Bundespräsident Heinz Fischer und mit Kardinal Christoph Schönborn sowie der Besuch eines Konzertes im Wiener Konzerthaus. Auf dem Programm steht neben Werken von Joseph Haydn das “Christmas Oratorio” von Bischof Hilarion; unter den Ausführenden sind die “Wiener Sängerknaben”. Weiters wird Patriarch Aleksij II. eine Ausstellung über die Geschichte der russisch-orthodoxen Märtyrerkirche im 20. Jahrhundert im Wiener Dom- und Diözesanmuseum eröffnen und das Stift Klosterneuburg besuchen.

Im Gespräch mit “Kathpress” äußerte sich Bischof Hilarion auch zum Stand der Ökumene. Bei der letzten Gesprächsrunde der offiziellen internationalen katholisch-orthodoxen Dialogkommission in Ravenna im Herbst letzten Jahres war es zu innerorthodoxen Spannungen gekommen, die dazu führten, dass die russische Delegation mit Bischof Hilarion an der Spitze abreiste. Anlass war die Beteiligung einer Delegation der vom Moskauer Patriarchat nicht anerkannten “estnisch-apostolischen Kirche” an den Verhandlungen. Diese Kirche untersteht dem Patriarchat von Konstantinopel; der größere Teil der estnischen Orthodoxie ist trotz der Pressionen der Regierung in Talliin dem Moskauer Patriarchat treu geblieben. Auch Patriarch Aleksij II. – ein geborener Baron Ridiger – stammt aus Estland; er war selbst fast 15 Jahre orthodoxer Metropolit von Talliin.

Vom Abschlussdokument der Tagung, dem “Ravenna-Papier”, hat sich die russisch-orthodoxe Kirche inzwischen mehrfach distanziert. Im “Ravenna-Papier” erklären die seit 1054 getrennten Kirchen erstmals gemeinsam, dass es nach der Tradition der Kirche auch auf weltkirchlicher Ebene eine Vorrangstellung eines “Ersten” (Protos) gebe, wie sie während des ersten Jahrtausends der Bischof von Rom innehatte. Er rangierte an erster Stelle der fünf historischen Sitze von Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Offen bleibe hingegen die konkrete Form der Ausübung dieses Primats.

Im Gespräch mit “Kathpress” betonte Bischof Hilarion nun, die Primatsfrage sei “noch nicht ausdiskutiert”, das Ravenna-Dokument habe nur die Vorarbeit zu dieser noch offenen Diskussion geleistet. Insbesondere das Verständnis der Bedeutung und Funktion des Primats sei nach wie vor völlig unterschiedlich. Weiters komme erschwerend hinzu, dass es auch innerhalb der orthodoxen Kirchen keine einheitliche Dialoglinie gebe. So werde die Primatsfrage etwa vom Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., und dem Patriarchen von Moskau gänzlich anders betrachtet, so Hilarion.

Eine Klärung dieser Frage etwa im Rahmen eines panorthodoxen Konzils sei in naher Zukunft wohl nicht realisierbar, betonte der Wiener russisch-orthodoxe Bischof. Zwar gebe es seit mehr als 30 Jahren Überlegungen zur Durchführung eines solchen Konzils, doch seien die innerorthodoxen Meinungsverschiedenheiten etwa über die thematische Ausrichtung noch zu groß.

Diese Meinungsverschiedenheiten sollen aber den Pastoralbesuch von Patriarch Aleksij II. in Österreich nicht beeinträchtigen, betonte Bischof Hilarion. Vor kurzem habe er auch Patriarch Bartholomaios I. im Phanar informiert und sei dabei auch mit dem Wiener Metropoliten des Ökumenischen Patriarchats, Michael Staikos, zusammengetroffen.

Im Gespräch mit “Kathpress” urgierte Bischof Hilarion erneut die rechtliche Anerkennung der russisch-orthodoxen Diözese Wien und Österreich. Derzeit wird von Seiten des Staates auf Grund des Orthodoxengesetzes von 1967 allein die Diözese des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel offiziell anerkannt. Hier gibt es laut Bischof Hilarion “dringenden rechtlichen Handlungsbedarf”, da sich die Realität seit der Verabschiedung des Orthodoxengesetzes deutlich geändert habe.

So verzeichne etwa die russisch-orthodoxe Kirche in Österreich seit mehreren Jahren ein enormes Wachstum. Allein innerhalb der letzten fünf Jahre habe sich die Zahl der Gemeindemitglieder verdoppelt. Ansuchen um Anerkennung der russisch-orthodoxen Diözese beim Kultusamt und bei der zuständigen Ministerin seien bislang jedoch unbeantwortet geblieben. Insgesamt leben derzeit in Österreich rund 400.000 orthodoxe Christen.

Die russisch-orthodoxe Kirche ist weltweit die größte orthodoxe Kirche. In Österreich ist die russisch-orthodoxe Kirche seit dem 18. Jahrhundert vertreten. Ende des 19. Jahrhunderts entstand im 3. Bezirk die Nikolauskathedrale in der Jauresgasse. 1962 wurde die Eparchie (Diözese) Wien und Österreich begründet. Seit 2003 ist Bischof Hilarion für Wien und Österreich zuständig. Als Pfarrer der Wiener Gemeinde fungiert seit 2002 Erzpriester Wladimir Tyschuk.

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