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"Runter mit den Schulden"

Die Grünen-Chefin Eva Glawischnig im VN-Interview.
Die Grünen-Chefin Eva Glawischnig im VN-Interview. ©APA
Grüne zu Verhandlungen über Schuldenbremse bereit: Grünen-Chefin Eva Glawischnig im VN-Interview.

Frau Dr. Glawischnig, nach all den Politskandalen sollten eigentlich noch heuer gläserne Parteikassen geschaffen werden. Laufen die Verhandlungen auf Hochtouren?

Eva Glawischnig: Obwohl die Klubobleute der Koalitionsparteien, Josef Cap und Karlheinz Kopf, das versprochen haben, ist uns noch nichts vorgelegt worden. Vermutlich ist das alles unter die Räder der Schuldenbremse gekommen.

Wer hat ein Problem mit einer lückenlosen Offenlegung von Parteispenden und Nebeneinkünften von Politikern?

Glawischnig: Gute Frage. Wir nicht. Wir haben uns auf freiwilliger Basis zu maximaler Transparenz verpflichtet. Auf unserer Internetseite haben wir alles offengelegt; das geht sogar weit über das hinaus, was jetzt diskutiert wird.

Werden die Grünen nun Druck von außen aufbauen, damit verbindliche Transparenzregeln für alle kommen? Peter Pilz hat bereits von einem Volksbegehren gesprochen.

Glawischnig: Ich bin sehr zurückhaltend, was Parteien-Volksbegehren betrifft. Aber dass Druck von außen kommen wird, ist klar: Die Initiative „Mein Österreich“ hat bereits die Absicht, ein Volksbegehren zu initiieren. Ich begrüße das.

Österreich leistet sich nicht nur eine intransparente, sondern auch eine sehr hohe Parteienfinanzierung. Sind Sie für eine Kürzung?

Glawischnig: Abgesehen davon, dass es da schon in den letzten Jahren zu drastischen Einschnitten gekommen ist, sehe ich eine Prinzipienfrage. Ich stehe zur öffentlichen Parteienfinanzierung: Ich will nicht, dass Parteien von Lobbyisten und Spenden abhängig werden. Aber klar ist, dass wir mehr Transparenz brauchen.

Wie sehen Sie die Null-Lohnrunde für Politiker?

Glawischnig: Das ist ein symbolisches Zeichen, das unterm Strich wenig bringt, aber notwendig ist: Kein Bereich darf tabu sein. Österreichs Schulden sind zu hoch. Wir verspielen Zukunftsmöglichkeiten und müssen daher runter mit den Schulden. Verschwendung muss an allen Ecken und Enden gestoppt werden. Jeder Euro, jede Förderung, jede Struktur muss hinterfragt werden.

Wären eine Verkleinerung des Nationalrats und eine Abschaffung des Bundesrats ebenfalls symbolische Zeichen?

Glawischnig: Ich würde bei den Landtagen ansetzen – sie aber nicht abschaffen, sondern aufwerten: Wenn sie mehr Kontrollrechte gegenüber dem Landeshauptmann und der Landesregierung erhalten würden, könnte viel Geld eingespart werden. Der Bundesrat sollte zu einer echten Länderkammer umgestaltet werden; in diesem Sinne sollten dort ausschließlich Landtagsabgeordnete vertreten sein.

Und den Nationalrat verkleinern würden Sie nicht?

Glawischnig: Der Nationalrat geht in dieser Größe in Ordnung. Damit ist auch eine Vertretung von Minderheiten bzw. eine Abbildung der Gesellschaft möglich. Wir haben eine gehörlose Abgeordnete und eine Abgeordnete mit Mitgrationshintergrund. Andere Fraktionen nützen diese Möglichkeit nicht; die rechten sind wahrscheinlich stolz darauf, dass sie frauenbefreite Fraktionen sind.

Warum haben die Grünen ein Problem mit einer Schuldenbremse? Es geht doch darum, das Vertrauen der Finanzmärkte zu gewinnen.

Glawischnig: Signale sind zu wenig. Es braucht ein Sparpaket mit vernünftigen Maßnahmen. Zu hinterfragen sind in diesem Sinne die Förderungen; die (staatlichen) Prämienzuschüsse zur 2. und 3. Säule der Pensionsvorsorge, mit denen die Finanzmärkte zocken; die Gruppenbesteuerung, die es Konzernen ermöglicht, Verluste im Nicht-EU-Ausland bei uns abzuschreiben; die Hacklerregelung für Beamte schon nach 40 Jahren; Unsinnigkeiten wie die Agrardiesel- und die Schiffsdieselförderung – da gibt es eine ganze Liste an Dingen. Auf der anderen Seite wäre es in dieser Krisenzeit vernünftig, ein Teil des enormen Vermögens, das in den letzten 30 Jahren entstanden ist, abzuschmelzen: Das oberste Prozent der Bevölkerung verfügt über 500 Milliarden Euro.

Was schlagen sie konkret vor?

Glawischnig: Ich sehe die Möglichkeit einer reformierten Erbschaftssteuer ab einer Million Euro. Auch Umwidmungswinne könnte man besteuern. Wir werden sehen, was die Verhandlungen bringen werden.

Sie verhandeln mit SPÖ und ÖVP über die Schuldenbremse?

Glawischnig: Echte Verhandlungen sind es noch nicht. Es geht um Gespräche zur Schuldenbremse im Hinblick auf den Verfassungsausschuss am 1. Dezember. Entscheidend ist, dass die ÖVP bereit ist, auch über Vermögenssteuern zu reden.

Das heißt, die Grünen sind doch für eine Schuldenbremse zu haben?

Glawischnig: Die Schuldenbremse ist nicht mehr als ein Satz in der Verfassung. Das wird Österreich nicht retten. Wir brauchen eine vernünftige Sparpolitik. Deshalb sind wir auch bereit, darüber zu reden.

Sind die Grünen damit auf dem Weg zu einer Rolle, die einer Regierungspartei nahe kommt?

Glawischnig: Wir sind in der Politik, um Druck in die richtige Richtung auszuüben. Gerade in so schwierigen Zeiten. Wobei es uns nicht um Ratingagenturen geht, sondern um ein nachhaltiges Budget im Sinne unserer Zukunftssicherung.

(VN, Printausgabe 29.11.2011)

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