An einen Umsturz glaubt aber niemand. Die 4,8 Millionen Schweizer Wahlberechtigten entscheiden am Sonntag über die Zusammensetzung der beiden Parlamentskammern für die nächsten vier Jahre. Gewählt werden in 26 kantonalen Wahlkreisen die 200 Mitglieder des Nationalrats. Gleichzeitig werden 41 der 46 Sitze im Ständerat besetzt, der Kammer der Kantonsvertreter. Das neue Parlament wird am 12. Dezember die sieben Mitglieder der Regierung (Bundesrat) wählen. Blocher stärken! SVP Wählen! heisst es schon jetzt auf den Plakatsäulen. Noch nie haben die Regierungsmitglieder derart aktiv im Wahlkampf mitgemischt wie dieses Jahr – allen voran Justizminister Christoph Blocher. Der Milliardär und Unternehmer hatte vor vier Jahren die legendäre Zauberformel in der Schweizer Konkordanzregierung gesprengt und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) einen ihrer beiden Regierungssitze weggeschnappt. Blochers Partei, die rechtskonervative Schweizerische Volkspartei (SVP), stellt seither zwei Bundesräte, wie die Sozialdemokraten und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP). Der Konkordanz wird das insofern gerecht, als die SVP vor vier Jahren klar als stärkste Partei aus den Wahlen hervorging und auf einen fast doppelt so hohen Wähleranteil wie die CVP kam. Von der vielbeschworenen Kollegialität im Bundesrat ist aber immer weniger zu spüren. So verdächtigt Blocher mindestens zwei seiner sieben Kollegen, einen Geheimplan oder Putschversuch – so die Wortwahl der SVP – gegen ihn geduldet zu haben.
Ziel dieser Übung sei es gewesen, ihn noch vor den Wahlen zum Rücktritt zu zwingen. Hintergrund ist eine ebenso komplizierte wie undurchsichtige Kontroverse um den Rücktritt von Bundesanwalt Valentin Roschacher. Die Demission des streitbaren obersten Anklägers liegt zwar schon mehr als ein Jahr zurück. Ausgerechnet in der heißen Phase des Wahlkampfs wartete das parlamentarische Aufsichtsorgan aber mit einem Bericht auf, in dem Blocher der Kompetenzüberschreitung und der Missachtung der Gewaltentrennung beschuldigt wird. Hinzu kamen neue Dokumente, denen einzelne Politiker den Verdacht entnahmen, Blocher habe ein Komplott zur Absetzung des in der Finanzwelt verhassten Bundesanwalts inszeniert. Seither steht die Person des Justizministers noch stärker im Zentrum des Wahlkampfs. Blocher selber zeigte sich in zahlreichen Auftritten in den Medien – seit neuestem auch in einem eigenen Internet-Fernsehen – und im Parlament indigniert über die Unterstellungen. SP-Präsident Hans-Jürg Fehr zählte demgegenüber ein Sündenregister Blochers auf, das von Zensurversuchen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen über das Anlügen des Parlaments bis zur Komplizenschaft mit dem türkischen Außenminister gegen die Schweizer Rassismusstrafnorm reicht. Um Blocher nach vier Jahren wieder aus der Regierung kippen zu können, sind Linke und Grüne aber auf Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager angewiesen. Die SVP hatte dieses Szenario schon im letzten Dezember durchgespielt und gedroht, im Falle einer Abwahl Blochers auf eine Regierungsbeteiligung zu verzichten und in die Opposition zu gehen. Vier Jahre nach dem Aus für die Zauberformel wäre dies dann der Bruch mit der Konkordanz. Umfragen deuten darauf hin, dass die SVP von der Zuspitzung des Wahlkampfs auf die Person Blochers profitieren wird. Alle Demoskopen gehen davon aus, dass die SVP stärkste Partei bleibt, vor der SP. Die sogenannten Mitteparteien FDP und CVP dürften sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Plätze drei und vier liefern. Den Grünen werden übereinstimmend die größten Gewinne und das erstmalige Überschreiten der Zehn-Prozent-Marke vorausgesagt. Damit hätte doch noch ein Sachthema den Wahlkampf beeinflusst: der Klimawandel. Thema Nummer 1 ist aber auch in der Schlussphase des Wahlkampfs die SVP: Und zwar in der Opferrolle, seit der Schwarzen Block am 5. Oktober in Bern eine Wahlkundgebung mit Gewalt verhinderte. Die Genfer Sozialdemokratin und Außenministerin Micheline Calmy-Rey, die dieses Jahr auch das Amt der Bundespräsidentin bekleidet, sorgt sich mittlerweile um das Ansehen der Schweiz im Ausland. Schon die Intervention des UN-Sonderberichterstatters für Rassismus gegen die SVP-Plakate mit den Schafen hatte im Ausland fast mehr Aufsehen erregt als im eigenen Land. Das Sujet zeigt unter dem Motto Sicherheit schaffen, wie drei weiße Schafe auf der Schweizer Fahne stehen und ein schwarzes Schaf wegkicken. Es begleitet eine Volksinitiative der SVP, mit der kriminelle Ausländer konsequent abgeschoben werden sollen.
http://www.parlament.ch/homepage/wahlen-2007.htm http://www.swissworld.org/de/politik/ http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/17/02.html http://www.teleblocher.ch/ Ende##