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Rom: Geisel-Mord im Irak schockt Italien

Die Ermordung der 37-jährigen Geisel Fabrizio Quattrocchi, der im Irak in Anwesenheit seiner drei Mitgefangenen mit einem Genickschuss umgebracht worden ist, schockiert Italien.

Bis tief in die Nacht verfolgten Millionen von Zusehern die Nachrichten im Fernsehen, bis der Name des Opfers bekannt gegeben wurde. Hunderte von Menschen versammelten sich in der Nacht in Genua vor der Wohnung der Eltern Quattrocchis, der vor zwei Wochen nach Bagdad gereist war, um sich in den Dienst einer US-Sicherheitsgesellschaft zu stellen. „Warum haben sie ihn ermordet?”, fragte die alte Mutter des Bodyguards ehe sie zusammenbrach.
Solidaritätserklärungen überfluteten die Familien der weiteren drei italienischen Geiseln, die Stunden lang warten mussten, ehe der Name der hingerichteten Geisel bekannt gegeben wurde. „Jetzt wissen wir mit Sicherheit, dass es nur um wenige Stunden geht. Bald könnten alle tot sein”, sagte Francesco Cupertino, Bruder des 35-jährigen Wachmanns aus der süditalienischen Hafenstadt Bari, Umberto Cupertino, der seit Montag vermisst wird. Bei den anderen Geiseln handelt es sich um einen 34-jährigen sizilianischen Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens Presidium International, Salvatore Stefio, und um den 37-jährigen Maurizio Agliata aus der toskanischen Stadt Prato.

Der Vater Stefios appellierte an alle Italiener, gegen die Hinrichtung der Geiseln zu mobilisieren. „Ich fordere alle Italiener auf, auf die Straßen zu gehen, um all dies zu stoppen. Mein Sohn war in den Irak gereist, um ehrlich zu arbeiten”, so Angelo Stefio. Die Familienangehörigen der Geiseln dementierten Mediengerüchte, nach denen die Italiener als Informanten der Geheimdienste in Irak gereist waren.

Italiens politische Parteien verzichteten angesichts des brutalen Mordes auf Polemik um die Zukunft der Friedensmission im Irak und beteuerten entschlossen ihren Willen, für die Befreiung der Geiseln zu arbeiten, ohne sich jedoch der Erpressung der Terroristen zu beugen. Die Entführer hätten „ein Leben zerstört, aber sie haben nicht unsere Werte und unseren Einsatz für den Frieden angegriffen”, erklärte der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi. Der italienische Oppositionschef Francesco Rutelli rief alle Parteien zu Zusammenhalt auf. „In dieser Lage darf es keine Polemik zwischen Koalition und Opposition geben”, meinte Rutelli.

Die Divergenzen zwischen Berlusconis Mitte-Rechts-Allianz und der Opposition um die Zukunft der italienischen Friedensmission „Antikes Babylonien” bleiben jedoch groß. Die oppositionellen Linksdemokraten (DS, stärkste Oppositionspartei) meinen, dass die rund 3.000 italienischen Soldaten nicht länger als bis Ende Juni im Irak stationieren sollten. Die Regierung Berlusconi und die EU-Partner sollten sich bei den USA für eine neue UNO-Resolution einschalten, dank der die Vereinten Nationen ab dem 30. Juni die Verantwortung für die Rückgabe der Souveränität an irakische Behörden übernehmen sollten, forderte DS-Chef Piero Fassino.

Die Regierung Berlusconi wurde von den Grünen und den Pazifisten scharf kritisiert. „Die Regierung hat keinerlei Strategie im Irak, sie ist den USA vollkommen unterlegen. US-Präsident George W. Bush entscheidet über die italienische Außenpolitik”, bemängelte der Fraktionschef der Italienischen Kommunisten in der Abgeordnetenkammer, Marco Rizzo.

Die rechtspopulistische Regierungspartei Lega Nord forderte einen stärkeren Einsatz der Regierung Berlusconi zur Bekämpfung der fundamentalistischen Gruppen in Italien. Der Fraktionschef der Lega in der Abgeordnetenkammer, Federico Bricolo, verlangte die sofortige Ausweisung aller in Italien lebenden Fundamentalisten.

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