Der Blauara Blu lebt mit der jungen Buchhändlerin Linda in einer semiamourösen Beziehung im US-Staat Minnesota. Als letzter männlicher Vertreter seiner Art soll Blu jedoch die Reise ins ferne Rio de Janeiro antreten, um dort das Araweibchen Jewel zu begatten – eine Aufgabe, der Blu und sein Frauchen nur widerwillig nachkommen. Noch dazu erweist sich die Auserkorene anfangs als ziemliche Kratzbürste und Blu als romantisch unbedarft, wenn er seiner Angebeteten beim Umarmungsversuch stolz seinen Achselschweiß präsentiert. Auch erweist sich Rio als nicht so sicher wie gedacht, weshalb das unfreiwillige Pärchen von Tierhändlern entführt wird. Dass Haustier Blu nicht fliegen kann, erschwert eine gemeinsame Flucht der beiden aneinandergeketteten Vögel inmitten des Karnevals deutlich.
Wie zumeist im Genre unterstreicht auch “Rio” die Nähe des Animationsfilm zum klassischen Musical mit bunten Tänzen der Urwaldvögel und Anlehnungen an Esther Williams beim Wasserballett der Tiere. Ebenso werden Werke wie “Flucht in Ketten” oder zahlreiche Gangsterepen zitiert und das Werk so in der selbstreferenziellen Popkultur verankert. In der deutschen Synchronfassung untermauern die Macher diesen Anspruch noch dadurch, dass Christian Brückner als deutsche Stimme von Robert De Niro den hinterhältigen Kakadu Nigel spricht, während Sambabarde Roberto Blanco den fröhlich-naiven Tukan Rafael gibt.
Dank der Doppelstrategie, sowohl Kinder als auch Erwachsene anzusprechen, finden sich neben buntem Slapstick durchaus auch sexuelle Anspielungen im Werk, wenn die Unterstützer des flüchtigen Paares etwa dessen Fußketten mit erotischen Fesselspielen verwechseln. Die zu Beginn des Sujets angedeutete artenübergreifende Erotik und Verpaarung wird hingegen unterbunden. Zum Schluss scheiden sich Menschen und Tiere voneinander, die Rassentrennung ist wieder hergestellt.
Visuell verbindet “Rio” eine teils glatte Oberfläche mit überraschendem Detailreichtum. Dem Mangel an Lichtwert bei der 3D-Technik weiß Saldanha mit extrem farbiger Gestaltung zu begegnen. Und wenn aus dem Maul der hilfreichen Bulldogge Luiz der Sabber gen Zuschauersaal tropft, zahlt sich die räumliche Tiefenwahrnehmung fraglos aus. (APA/Martin Fichter)