Seit 116 Jahren wird in Ephesos von Österreichern gegraben, und wer heute das 1895 erbaute und seither mehrmals erweiterte Grabungshaus in Selcuk nahe Izmir besucht, den erwarten gleich mehrere Überraschungen: Wo früher ältere Herren mit Stock und Strohhut das Sagen hatten, herrscht jetzt eine bunte, fröhliche Stimmung – Sabine Ladstätter bringt eindeutig frischen Wind in die angestaubte Welt der Archäologie. Etwa 250 internationale Wissenschaftler pro Saison forschen unter ihrer Leitung, dazu kommen Restauratoren, Studenten und das Hilfspersonal für die Grabungen.
“Archäologie interessiert jeden”
Ich wollte schon als Kind zum Mittelpunkt der Erde graben”, gesteht sie lachend, und fügt hinzu: Archäologie ist kein Orchideenfach, Archäologie interessiert jeden. Wir haben hier jährlich 1,8 Millionen Besucher, jeder will doch wissen, wo unsere kulturellen und gesellschaftlichen Wurzeln liegen!” Ein Budget von rund 800.000.- Euro pro Jahr hat Sabine Ladstätter zu verwalten, so viel lässt sich der österreichische Staat die Grabungen kosten. Von Anfang Mai bis Oktober dauert die Grabungssaison. Stets an Ladstätters Seite: Helmut Schwaiger, Vater der gemeinsamen Tochter Hemma, auch er Archäologe. Anders geht das gar nicht, wenn man die Hälfte des Jahres in der Türkei verbringt”, meint er, da würde jede Beziehung scheitern. Aber wir nahmen Hemma von Anfang mit, sie spricht mittlerweile perfekt Türkisch und fühlt sich in beiden Welten pudelwohl.”
Eine weitere Überraschung in Ephesos: Die Archäologie liegt dort fest in weiblicher Hand. Neben Sabine Ladstätter leiten zwei weitere junge Frauen die Grabungen. Die 31-jährige Lili Zabrana hat soeben ein bislang unbekanntes Theater entdeckt – in Servus TV präsentiert sie diesen Fund erstmals der Öffentlichkeit. Und Barbara Horejs, 34, forscht auf einem uralten Siedlungshügel nach den Ursprüngen unserer Zivilisation: 8200 Jahre alte Knochensplitter, Holzkohlepartikel und Samenreste erzählen vom Leben der Menschen in der Steinzeit.
Überraschende Funde
Die Forscherinnen sind bei ihrer Arbeit auf überraschende Funde gestoßen, die das Leben in der Steinzeit in ein neues Licht rücken. Das waren keine zotteligen, Fell tragenden Halbaffen, wie das in Filmen so gerne dargestellt wird“, korrigiert Horejs das gängige Bild unserer Vorfahren. Diese Menschen konnten Textilien weben, sie schmückten sich und sie ernährten sich so, dass sie mitunter über 70 Jahre alt wurden.” Das beweisen Kieferfunde, Schmuckteile und viele andere Details, die in mühevoller Kleinarbeit aus der Erde geholt werden.
Aber Archäologie bedeutet nicht nur Graben, sondern auch Konservieren: In den berühmten Ephesischen Hanghäusern arbeiten Restauratoren an prächtigen Wandmalereien; Steinspezialisten setzen aus 120.000 Teilen das vermutlich größte Puzzle der Welt zusammen: die Marmorwandtäfelung eines der reichsten Häuser von Ephesos; und im Grabungshaus werden Tonscherben gewaschen, geputzt und zu Gefäßen rekonstruiert.
Ein Blick in die vierstöckigen Depots des Grabungshauses zeigt veritable Schatzkammern: Schmuckstücke, Grabbeigaben, Tonvasen, Tierknochen und unzählige Scherben lagern hier. Die 6-jährige Hemma kennt den Unterschied zwischen einem Krug und einer Amphore ganz genau, auch die einzelnen Tierknochen kann sie mit erstaunlicher Sicherheit zuordnen. Ob auch sie einmal Scherbenforscherin” werden wird?
Team
- Autor: Thomas Macho
- Redaktion: Andreas Dorner
- Kamera: Peter Aigner
- Schnitt: Monica Parii
- Produktion: FOR TV
Format
- Länge: 25 Min.
- Format: HD
- Ton: Stereo
Homepage des ÖAI: www.oeai.at
Homepage Barbara Horejs: www.barbarahorejs.at