74 Tage nach der Wahl kommt endlich Schwung in Sachen Regierungsbildung. ÖVP und Grüne haben sich am Donnerstag bei einer abschließenden Sondierungsrunde darauf verständigt, nun doch in exklusive Verhandlungen einzutreten. Zuvor werden sich die Grünen aber noch einige Tage Zeit nehmen, um intern ihre Positionen abzustecken. Dann solle aber innerhalb von 14 Tagen „Klarheit“ geschaffen werden, sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Demnach könnte bis Ende Februar eine neue Regierung stehen.
Eine „endgültige Entscheidung“ sei aber noch immer nicht gefallen, meinte der Kanzler. In der Sprachregelung der ÖVP wird man sich nun auf die Grünen „konzentrieren“, die „Gesprächsfäden“ zu den anderen Parteien werde man aber auch nicht abreißen lassen, schränkte Schüssel etwas ein. Auf Fragen nach einem Lieblingspartner wollte sich Schüssel nicht einlassen. Seine „Lieblinge“ seien in der eigenen Partei. Bei den Verhandlungen mit den Grünen gehe es darum, einen „nüchternen, professionellen Mittelweg zwischen Liebesheirat und Eiszeit“ zu finden. Ausschlaggebend für die nunmehrige Konzentration auf die Ökopartei sei gewesen, dass diese keine „ultimativen Bedingungen“ aufgestellt hätten.
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen tat sich bei der Einschätzung des nunmehrige Verhandlungsstadiums leichter. „Aus meiner Sicht führen wir ab heute Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP“, sagte er. Auf Prognosen wollte er sich freilich auch nicht einlassen. „Die Aufnahme von Verhandlungen ist nicht das Gleiche wie der Abschluss von Verhandlungen“. Man werde aber „mit aller Intensität die Sache angehen“. Sinn habe eine gemeinsame Regierung für die Grünen nur, wenn es am Ende der Legislaturperiode in Grünen Kernfragen wie Ökologie und Bürgerrechte „nachvollziehbare Fortschritte gegeben hat“.
Für die innerparteiliche Kritik an der Regierungsbereitschaft zeigte Van der Bellen angesichts einiger Attacken in der Vergangenheit zwar Verständnis, er selbst scheint darüber aber hinweg zu sein: „Schwamm drüber“, lautete seine Botschaft.
Andere Grüne Funktionäre sehen das offenbar anders. Im erweiterten Bundesvorstand hatte es gestern bei 29 Teilnehmern acht Gegenstimmen gegeben. Vertreter aus Vorarlberg, Niederösterreich, dem Burgenland und Wien können sich mit den Koalitionsverhandlungen nicht anfreunden. Vor allem in der einflussreichen Wiener Landesgruppe gibt es lautstarken Widerstand. Gemeinderätin Monika Vana schloss sogar Demonstrationen gegen eine schwarz-grüne Regierung nicht aus. Mit Sozialsprecher Karl Öllinger sprach sich aber auch ein Vertreter der Parteispitze gegen Koalitionsverhandlungen aus. In den Bereichen Soziales, Ökologie, Verkehr, Innere Sicherheit, Abfangjäger und Bildung gebe es nach wie vor „große Differenzen“, begründete er seine Skepsis.
Mit Kritik an Schüssel reagierte die SPÖ auf die Nachricht von den schwarz-grünen Verhandlungen: Es sei zu befürchten, dass der ÖVP-Chef „seine rein parteipolitisch motivierte Taktiererei zu Lasten des Landes fortzusetzen gedenkt“, meinte Bundesgeschäftsführerin Doris Bures. Offenbar bringe Schüssel nicht „den Mut zu einer großen stabilen Reformkoalition auf“, kommentierte sie die Tatsache, dass nicht die SPÖ in die engere Wahl kam. Bures hofft, dass sich die Grünen nicht als „billige Mehrheitsbeschaffer für die ÖVP und deren verfehlte Politik hergeben“.
Bei der FPÖ wurden die Neuigkeiten offiziell gelassen aufgenommen. „Keine Überraschung“, sagte Parteichef Herbert Haupt zur APA. Er glaubt nach wie vor nicht, dass sich ÖVP und Grüne auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen können und beziffert die Chancen der FPÖ weiter mit 30 Prozent. Außerdem sei Schwarz-Grün „sicher nicht jene Option, die sich die Österreicher wünschen“. FP-Generalsekretär Karl Schweitzer zeigte sich um die Grün-Wähler besorgt und war der Partei vor, ihre Prinzipien über Bord zu werfen. Die Kärntner FPÖ war etwas weniger gelassen: Für sie wäre eine schwarz-grüne Regierung eine „Katastrophe“.