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Regierung will abgelehnte Asylwerber nach Serbien schicken

Innenminister Karl Nehammer führt die Pläne seines Vorgängers Kickl fort.
Innenminister Karl Nehammer führt die Pläne seines Vorgängers Kickl fort. ©APA/HERBERT P. OCZERET
Ein altes FPÖ-Projekt wird nun auch von ÖVP-Innenminister Nehammer weitergeführt: Abgelehnte Flüchtlinge sollen nach Serbien abgeschoben werden. Dafür finanziert Österreich Flüchtlingsunterkünfte im Balkan-Land.

Österreich will abgelehnte Asylwerber nach Serbien abschieben. Dazu werden eigene Unterkünfte im Balkan-Land finanziert. Eine entsprechende Vereinbarung war von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vor einem Jahr abgeschlossen worden, bisher aber öffentlich so gut wie unbekannt. Sein Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) hält an dem Projekt fest, wie aus einer Anfragebeantwortung an die NEOS hervorgeht.

Bezug zur Republik Serbien muss bestehen

Unterzeichnet wurde der Vertrag der beiden Staaten durch die jeweiligen Innenministerien am 24. April 2019. Als Zielgruppe definiert das Nehammer-Ressort in der Anfragebeantwortung "illegal in Österreich aufhältige Fremde, bei denen eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, sofern die Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht möglich ist und ein ausreichender Bezug des Fremden zur Republik Serbien besteht".

Für letzteres Kriterium braucht es nicht viel. Denn nach Ansicht des Innenministeriums weisen "durch die Flucht über die Westbalkanroute viele Fremde einen ausreichenden Bezug zu Serbien auf". Dies bedeutet im Klartext: Wenn jemand rechtskräftig in Österreich abgelehnt und klar ist, dass er über Serbien in die EU gekommen ist, gehört er schon zur Zielgruppe.

Flüchtlinge werden nicht eingesperrt

Immerhin wird vom Innenministerium bekannt gegeben, dass die Unterbringung in offener Form angedacht ist. Das heißt, die Flüchtlinge werden zumindest nicht eingesperrt. Außerdem sind die internationalen Vorschriften auch in Serbien einzuhalten und muss Menschenrechtsorganisationen ein Zugang gewährt werden. Ob es ein eigenes Zentrum für die aus Österreich kommenden Flüchtlinge gibt oder sie in bestehenden Einrichtungen unterkommen sollen, konnte das Innenressort auf APA-Anfrage nicht kundtun. Dies obliege nämlich Serbien, das aber für eine ordnungsgemäße Unterbringung sorgen müsse.

Bisher ist noch kein Flüchtling überstellt worden. Über Details wird laut Anfragebeantwortung noch mit Serbien gesprochen. Freilich: Angesichts der Corona-Krise scheinen Überführungen fürs Erste ohnehin illusorisch. Angelegt ist die Vereinbarung übrigens unbefristet, sie kann aber von beiden Seiten gekündigt werden.

Innenministerium muss zahlen

Wie viel Geld das Projekt Österreich kostet, bleibt fürs Erste im Verborgenen. Klar ist nur, dass das Innenministerium dafür aufkommen muss. "Meinungen und Einschätzungen unterliegen nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht", antwortet das Ressort detailbefreit auf die NEOS-Frage nach dem finanziellen Aufwand.

Klar gestellt wird dafür eindeutig, dass man dem von Kickl initiierten Vorhaben auch unter Türkis-Grün treu bleiben will: "Der Zielsetzung im aktuellen Regierungsprogramm folgend gilt es durch bilaterale Abkommen mit Drittstaaten die europäische Migrationssteuerung zu stärken", heißt es in der von Nehammer gezeichneten Anfragebeantwortung.

NEOS-Kritik am Projekt

Alles andere als zufrieden mit den Antworten ist NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper, die die Anfrage gestellt hat. "Was von Innenminister Kickl hinterrücks eingefädelt wurde, wird von Türkis-Grün ganz einfach weiter durchgezogen", ärgert sie sich gegenüber der APA. Das Projekt sei rechtsstaatlich falsch und auch moralisch abzulehnen: "Wir wissen nicht, wie es den Menschen in diesem Lager ergehen wird, wir wissen nichts über die Kosten, wir wissen nicht wie die Lebensbedingungen sein werden." Krisper fordert Nehammer auf, offenzulegen wie viel das Projekt an Steuergeld kostet und wie er sicherstellen will, dass die Lebensbedingungen in dem Lager akzeptabel sein werden.

Grüne gegen Abschiebungen nach Serbien

Die Grüne Klubvize Ewa Ernst-Dziedzic lehnt die Abschiebung von nicht aus Serbien stammenden Flüchtlingen in das Balkanland ab, wie sie von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) initiiert wurde und von seinem Nachfolger Karl Nehammer (ÖVP) weiter verfolgt wird. Wie sie im Ö1-"Mittagsjournal" ausführte, sei dieses Projekt in der von Kickl vorgesehenen Form nicht durch das Regierungsprogramm gedeckt.

Für Ernst-Dziedzic ist die Überstellung von rechtskräftig negativ befundenen Asylwerbern nicht mit dem türkis-grünen Pakt vereinbar und somit hinfällig.

Schwammige Passagen im Regierungsprogramm

Schaut man das Regierungsprogramm an, sieht die Sache ein wenig differenzierter aus. Man könnte auch sagen, beide Seiten haben nicht unrecht. Neben etlichen schwammigen Passagen zu dem Thema heißt es dann doch recht konkret: vorgesehen sei eine "Prüfung der Schaffung von bi- und multilateralen Abkommen mit sicheren Drittstaaten zur Aufnahme von rechtskräftig abgelehnten Asylwerberinnen und Asylwerbern in diesen Ländern bei unmöglicher freiwilliger oder zwangsweiser Außerlandesbringung unter Berücksichtigung völker- und menschenrechtlicher Verpflichtungen". Im Klartext: solch ein Projekt ist sehr wohl im Regierungspaket verankert, aber nur dass es geprüft werden soll.

(APA/red)

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