Erste Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS steht

ÖVP, SPÖ und NEOS haben sich im zweiten Anlauf auf eine Dreierkoalition geeinigt. Das teilten die Parteien am Donnerstag in der Früh der APA mit. Das Regierungsprogramm wird um 11 Uhr im Parlament präsentiert.
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Geplant ist wie angekündigt eine Budgetkonsolidierung ohne EU-Defizitverfahren, dazu wird es deutliche Verschärfungen im Asylrecht und Erleichterungen für Mieter geben. Auch eine "Kindergrundsicherung" ist geplant.
Die Parteiobleute von ÖVP, SPÖ und NEOS haben ihr gemeinsames Regierungsprogramm bereits Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einem persönlichen Gespräch vorgestellt, wie die Präsidentschaftskanzlei mitteilte. Der Bundespräsident werde das Programm nun "sorgfältig prüfen", hieß es. Zudem hätten ÖVP-Chef Christian Stocker, SPÖ-Chef Andreas Babler und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger den Bundespräsidenten über die finalen Schritte der Regierungsbildung informiert.
In dem mehr als 200 Seiten starken Programm mit dem Titel: "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich", das der APA als Entwurf vorliegt, wird "Konsens und Pragmatismus" betont, auf dem die Einigung basiere. Der größte Fortschritt für Österreich sei immer aus "Konsens, Zusammenarbeit und Zuversicht" entstanden. Auch auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ wird Bezug genommen: "Während andere diese Kooperation verweigern und sich ihrer Verantwortung entziehen, stellen wir Einvernehmen und Handlungsfähigkeit her." Jetzt gehe es nicht um parteipolitische Interessen, sondern "um uns alle, um Österreich, um neun Millionen Menschen in unserem Land".
Scharfe Maßnahmen im Asylbereich
Scharfe Maßnahmen werden im Asylbereich angekündigt. So soll der Familiennachzug zumindest vorübergehend "sofort" gestoppt werden, auch ein Kopftuchverbot für unmündige Minderjährige (bis zur Vollendung der 14. Lebensjahres) ist angepeilt.
Auch finden sich Maßnahmen im Mietrecht im Programm, so soll etwa die Mindestdauer der Befristung bei Mietverträgen auf fünf Jahre steigen. Am Aufbauplan für das Bundesheer wird festgehalten, ebenso an der Teilnahme von Sky Shield. Der ORF-Beitrag soll bis 2029 nicht erhöht werden. In den Kinderbetreuungseinrichtungen soll es eine gesunde Jause kostenlos geben. Frauenhygiene- und Verhütungsartikel sollen von der Umsatzsteuer befreit werden.
Neuerungen sind laut dem Entwurf unter anderem auch im Bereich Armut und Soziales geplant. Der Kinderarmut soll mit einer "Kindergrundsicherung" entgegengetreten und bis 2030 halbiert werden. Die bisherige Sozialhilfe soll zu einer "Sozialhilfe NEU" werden, mit einem einheitlichen Tagsatz, der sich am Ausgleichszulagen-Richtsatz orientiert. Die 2019 unter Schwarz-Blau statt der Mindestsicherung geschaffene Sozialhilfe legte hingegen Höchstgrenzen statt der bis dahin gütige Mindeststandards fest.
Defizitverfahren soll verhindert werden
Das Budget soll wie angekündigt entlang der EU-Fiskalregeln konsolidiert werden, Ziel ist die Verhinderung eines Defizitverfahrens. Angesichts der "aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen" plane die neue Bundesregierung das Budget über die nächsten sieben Jahre zu konsolidieren. Auch soll rasch ein Doppelbudget und ein neuer Bundesfinanzrahmen beschlossen werden. Die Planungen sehen wie bereits angekündigt ein Maßnahmenpaket für das Jahr 2025 von mehr als 6,3 Mrd. Euro und für das Jahr 2026 von 8,7 Mrd. Euro vor.
Als möglicher Angelobungstermin der neuen Bundesregierung gilt weiterhin der kommende Montag. Voraussetzung dafür ist, dass die Partei-Gremien grünes Licht für den Koalitionspakt geben. Die größte innerparteiliche Hürde müssen dabei die NEOS nehmen, entscheidet bei den Pinken doch in letzter Instanz eine Mitgliederversammlung am Sonntag. Für die Annahme der Koalitionsvereinbarung ist dabei eine Zweidrittelmehrheit nötig.
Diskussion um Ministerposten vor allem bei SPÖ
Geklärt ist die Frage der Ministerienverteilung zwischen den Parteien - mit je sechs Ressorts für ÖVP und SPÖ und zwei für die NEOS. Mit sieben ungewöhnlich hoch dürfte die Zahl der Staatssekretäre und -sekretärinnen werden. Die Besetzung der Regierungsposten innerhalb der Parteien ist hingegen teilweise noch offen. Die meisten Diskussionen scheint es dabei bei der SPÖ zu geben, vor allem bei der Frage der Besetzung des Finanzressorts gibt es noch Gesprächsbedarf.
Der zwischenzeitlich für die Position des Finanzministers gehandelte Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) wird in der künftigen ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition nun wohl eher Ressortchef im Infrastrukturministerium. Er sei gefragt worden und er würde es auch machen, sagte ein Sprecher auf APA-Anfrage. Freilich müsse man noch die Parteigremien abwarten, die bei der SPÖ am Freitag tagen.

In den vergangenen Tagen waren zwischen SPÖ-Chef Andreas Babler und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig Auffassungsunterschiede durchgedrungen, was die Besetzung insbesondere des Finanzministeriums betrifft. Für diese Position waren zuvor u.a. auch der frühere ORF-Chef Alexander Wrabetz und die Salzburger Nationalratsabgeordnete Michaela Schmidt als potenzielle Kandidaten genannt worden.
Duzdar als mögliche Justizministerin
Für das Justizressort dürfte Parteichef Andreas Babler die frühere Integrationsstaatssekretärin Muna Duzdar favorisieren, sie gilt aber nicht als gesetzt und könnte auch ein Staatssekretariat bekleiden.

Fix scheint, dass SPÖ-Frauenchefin Eva Maria Holzleitner das Frauenministerium und wahrscheinlich auch die Wissenschaftsagenden übernimmt. Gegen eine Trennung von Universitäten und Forschung ritt am Donnerstag gleich die Universitätenkonferenz aus. Das wäre "widersinnig und absurd", warnte uniko-Präsidentin Brigitte Hütter.

ÖGB-Vize Korinna Schumann bekommt wohl das Sozial- sowie Gesundheitsministerium und erhält auch die Arbeitsagenden dazu, ihr zur Seite gestellt werden dürfte eine Staatssekretärin bzw. ein Staatssekretär.

Babler wird in der Regierung das Vizekanzleramt bekleiden. Offen ist noch, welche Funktionen er nebenbei übernimmt. Zuletzt war das Gerücht hochgekommen, dass er nicht wie erwartet Kultur, Sport und Medien andenkt, sondern das mächtige, aber auch zeitaufwendige Infrastruktur-Ressort leiten könnte.

Als Alternative zu Babler wurde zuletzt auch noch die dem ÖGB entstammende ÖBB-Managerin Silvia Angelo gehandelt - diese sagte gegenüber der APA allerdings ab. Am Freitag soll der SPÖ-Vorstand das Personalpaket der Sozialdemokraten absegnen.
Schellhorn bestätigt Wiederkehr als Bildungsminister
Bei den NEOS scheint das Regierungsteam fix. Deren Abgeordneter Josef Schellhorn bestätigte gegenüber der "ZIB1", dass er Staatssekretär für Deregulierung werden solle. Das sei eine "großartige Aufgabe". Schließlich spüre er als Unternehmer, was Bürokratie und Regulierung bedeuten. Aus seiner Sicht sei auch fix, dass der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr Bildungsminister werden soll. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger wird als Außenministerin gehandelt.

Zuvor hatte Ex-NEOS-Chef Matthias Strolz, der sein Interesse am Amt des Bildungsministers öffentlich bekundet hatte, selbiges öffentlich zurückgezogen. Die Medien hätten aus seinem öffentlich bekundeten Interesse ein "Wettrennen" gemacht, "das ich hiermit beende", erklärte der Vorarlberger auf Facebook. Zugleich verwies er auf Wiederkehr als pinken Bildungsminister. Dieser werde "für Wien nun eine Nachfolgelösung finden", so Strolz.
Wenig Veränderung bei der ÖVP
Am klarsten ist das Bild bisher bei der ÖVP, wo bei den Ressorts Inneres (Karner), Verteidigung (Tanner) und Landwirtschaft (Totschnig) die bisherigen Minister im Amt bleiben sollen.





(APA)