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Regierung möchte bei umstrittenen Deutschförderklassen nachjustieren

Die Regierung will bei der Deutschförderung nachjustieren.
Die Regierung will bei der Deutschförderung nachjustieren. ©APA/EVA MANHART (Symbolbild)
Bei den umstrittenen Deutschförderklassen möchte die Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS nachjustieren. Wie am Mittwoch im Ministerrat beschlossen wurde, soll die Deutschförderung ab nächstem Schuljahr nicht mehr verpflichtend in separaten Klassen bzw. Gruppen stattfinden.
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Alternativ sollen schulautonome Modelle zum Deutschlernen im Klassenverband möglich sein. Geplant sind auch Änderungen beim viel kritisierten Sprachtest MIKA-D und bei den Regeln für Klassenwiederholungen.

Die separaten Deutschförderklassen und -gruppen für die zuletzt über 48.000 "außerordentlichen" Schülerinnen und Schüler wurden 2018/19 von Schwarz-Blau eingeführt. Seither müssen Schulanfänger und Quereinsteiger aus dem Ausland, die laut dem Zuteilungstest MIKA-D Probleme mit der Unterrichtssprache haben, bis zu zwei Jahre lang maximal 20 Stunden pro Woche in eigenen Klassen oder Gruppen in Deutsch gefördert werden. Nur Fächer wie Werken, Musik oder Turnen verbringen sie mit ihrer Stammklasse.

Deutschförderung: Kritik an bisherigem Modell

Aus Praxis und Wissenschaft kam seit der Einführung immer wieder Kritik an dem Modell, auch ein vom damals ÖVP-regierten Bildungsministerium beauftragter Evaluierungsbericht zeigte Verbesserungsbedarf. Der Tenor: Die Pflicht zum Unterricht in separaten Klassen ab acht Schülern am Standort führe zu Ausgrenzung, verbessere das Deutschlernen nicht und sei an Schulen mit vielen nicht-deutschsprachigen Kindern pädagogisch unsinnig; der MIKA-D-Test sei für die Schulen aufwendig, frage die falschen Kompetenzen ab und die bestehenden Regeln zum Aufstieg in die nächste Klasse führten zu deutlich mehr Repetenten.

Wie im Regierungsprogramm angekündigt, sollen die Schulen ab nächstem Herbst nun mehr Autonomie bekommen, ob sie auf separate Deutschförderklassen und -kurse setzen oder lieber ein autonomes, an die Bedürfnisse des Standorts angepasstes Förderkonzept umsetzen. Die Ressourcen bleiben unabhängig vom Modell die gleichen. Bei beiden soll es künftig außerdem einen Kriterienkatalog zur Qualitätssicherung geben, auch eine wissenschaftliche Begleitevaluation ist geplant.

Ohne die deutsche Sprache sei Bildung nicht möglich, die Regierung habe deshalb bereits die Ressourcen für die Deutschförderung auf 1.300 Planstellen ausgebaut. Durch mehr Autonomie wolle man nun ab dem Schuljahr 2026/27 zu besseren Ergebnissen an den einzelnen Standorten kommen, betonte Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) im Foyer nach dem Ministerrat. Eine einheitliche Regel für alle Schulen funktioniere einfach nicht, das hätten die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt.

Mehr Autonomie soll bessere Ergebnisse bringen

Das Ziel sei es, die Zahl der außerordentlichen Schüler zu reduzieren, mit der Vision, dass "alle Kinder in Österreich Deutsch sprechen und dem Unterricht folgen können". Im aktuellen Schuljahr gebe es nach vielen Jahren mit steigenden Zahlen endlich eine Trendwende in allen Bundesländern, berichtete Wiederkehr. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen um 4,2 Prozent auf 46.385 gesunken, wobei der Minister auf Nachfrage einräumte, dass ein Teil des Rückgangs sicher auf den Stopp des Familiennachzugs zurückzuführen ist.

Um den Verwaltungsaufwand rund um die Deutschförderung zu verringern, soll es ab kommendem Herbst außerdem statt zwei verpflichtenden MIKA-D-Tests nur noch einen am Ende des Sommersemesters geben. Bei deutlichen Fortschritten soll aber weiter ein zusätzlicher Test möglich sein, der bei guten Ergebnissen einen Umstieg in die Deutschfördergruppe bzw. in die Regelklasse ermöglicht. Der Test selbst soll außerdem treffsicherer werden, ab nächstem Herbst soll eine weiterentwickelte Version des MIKA-D-Tests u.a. mit zusätzlichen Fragen für die 3. und 4 Klasse Volksschule und die Mittelschule zum Einsatz kommen.

Kritik und Lob für Regierungspläne

Von der FPÖ gab es Kritik an den Regierungsplänen. Bildungssprecher Hermann Brückl kritisierte eine "Aufweichung" des Modells, durch Deutschförderung im Regelunterricht werde nur der Lernerfolg der übrigen Schüler beeinträchtigt. Das Bildungssystem sei wegen der rund 50.000 außerordentlichen Schüler "längst kollabiert", helfen würde nur ein Stopp "der illegalen Masseneinwanderung".

Lob kam hingegen von den Grünen. Bildungssprecherin Sigrid Maurer freute sich, dass die Regierung die Empfehlungen aus der von ihrer Partei initiierten Evaluierung aufgreife. Gleichzeitig kritisierte sie, dass der Bildungsminister beim Ausbau der Deutschförderkräfte nicht geliefert habe: Von den versprochenen 750 neuen Stellen seien nur 285 zusätzlich geschaffen worden. Die AK erwartete in einer Aussendung durch die geplanten Änderungen neben Erleichterungen im Schulalltag auch eine wirksamere Sprachförderung, sah aber noch Bedarf nach mehr qualifiziertem Förderpersonal. Die Industriellenvereinigung hob wiederum die geplante Qualitätssicherung positiv hervor, für eine nachhaltige und wirksame Deutschförderung wäre aber auch eine Bildungspflicht bis zur 8. Schulstufe notwendig.

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©APA

Aufstieg auch bei Deutschproblemen

Die Regierung will außerdem eine Maßnahme gegen den in Österreich mit neun Prozent im internationalen Vergleich hohen Anteil "überaltriger" Schüler setzen, um Laufbahnverluste und Schulabbruch hintanzuhalten. Konkret soll die Aufstiegsklausel auch für Schüler möglich sein, die laut MIKA-D "mangelhafte" Deutschkenntnisse haben.

Derzeit können nur Schüler ohne Deutschförderbedarf mit einem Fünfer in die nächste Klassenstufe aufsteigen, wenn die Schulkonferenz davon ausgeht, dass sie wegen guter Ergebnisse in den anderen Fächern dem Unterricht in der nächsthöheren Klasse gut folgen können werden. Das soll auch beim Übertritt von der Volksschule in die Sekundarstufe 1 (Mittelschule, AHS- Unterstufe) gelten. Außerdem sollen außerordentliche Schüler künftig in Fächern, die nicht mit Deutschförderung zu tun haben, benotet werden können.

"Dadurch verhindert man Laufbahnverluste, Demotivation der Kinder und das Problem, dass zu alte Kinder in der Klasse sitzen", betonte SPÖ-Staatssekretärin Michaela Schmidt (SPÖ). Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) sprach von einer Maßnahme, die verhindere, dass "Kinder überaltern und in eine Sackgasse geraten".

Neben Änderungen bei den Fördermaßnahmen in der Schule setzt Wiederkehr zur Verbesserung der Deutschkenntnisse auch auf Maßnahmen wie die Sommerschule, für die gerade die gesetzlichen Grundlagen ausgearbeitet werden, und den Kindergarten. Hier soll im Pflichtkindergartenjahr die Anwesenheit von 20 auf 30 Stunden pro Woche ausgebaut werden. Ziel bleibt auch die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahrs ab 2027, wenn die derzeitige 15a-Vereinbarung mit den Ländern dazu ausläuft.

(APA/Red)

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