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Rechtsradikale Szene im Fokus: Zahlreiche Hausdurchsuchungen in ganz Österreich

In ganz Österreich haben Razzien stattgefunden.
In ganz Österreich haben Razzien stattgefunden. ©APA (Sujet)
Am Dienstag wurden österreichweit mehrere Hausdurchsuchungen in der rechtsradikalen Szene durchgeführt. Gegen 32 Personen wird nach dem Verbotsgesetz ermittelt.

Zahlreiche Hausdurchsuchungen in der rechtsradikalen Szene sind am Dienstag in den frühen Morgenstunden in ganz Österreich durchgeführt worden. Wie es aus dem Justizministerium hieß, wird gegen 32 Beschuldigte nach dem Verbotsgesetz ermittelt.

Nähere Angaben wollen die Behörden um 15.00 Uhr bei einer Pressekonferenz machen.

Über 1.000 rechtsextreme Tathandlungen 2018 in Österreich

Im Vorjahr wurden 1.600 Anzeigen und über 1.000 rechtsextreme Tathandlungen in Österreich gezählt. Fast 900 der Anzeigen waren nach dem Verbotsgesetz. Das geht aus einer Anfrage des grünen Bundesrat David Stögmüller an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hervor.

Laut Innenministerium kam es 2018 in ganz Österreich zu 1.075 rechtsextremen Tathandlungen, also Straftaten, denen die Behörden tatsächlich nachgingen, davon waren die meisten, nämlich 732, generell als rechtsextrem einzustufen, 236 als fremdenfeindlich oder rassistisch, 49 Taten als antisemitisch, 22 als “islamophob” und 36 entsprangen sonstigen Motivlagen.

Aufgrund dieser Tathandlungen kam es zu 1.622 Anzeigen, die meisten davon, nämlich 877 nach dem Verbotsgesetz. Weitere 280 wurden wegen des Verdachtes der Verhetzung (Paragraf 283, hier fallen auch antisemitische und “islamophobe” Taten hinein) eingebracht. Im Zusammenhang mit den aufgeklärten Tathandlungen wurden im Vorjahr 797 Personen angezeigt, davon 704 Männer und 93 Frauen.

Im Bundesländervergleich lag Wien mit 205 Tathandlungen an der Spitze, gefolgt von Niederösterreich mit 202 und Oberösterreich mit 185. Im Vergleich zum Jahr 2017 bedeutete das bei den Anzeigen einen leichten Anstieg. Damals wurden 1.576 Anzeigen gezählt.

Ausgangspunkt für Razzien war neonazistisches Konzert

Ausgangspunkt war laut Pilnacek ein Konzert im Frühling des Vorjahres in der neonazistischen Szene in der Obersteiermark. Bei den Razzien sei umfangreiches einschlägiges Material sichergestellt worden. Dazu kamen Waffen, sagte Goldgruber. “Es wurden auch Waffenverbote ausgesprochen.” Festnahmen habe es bisher nicht gegeben. Die Ermittlungen laufen nach den Paragrafen 3g Verbotsgesetz. Die Amtshandlung führt die Staatsanwaltschaft Leoben.

217 Beamte im Einsatz

Bei dem Konzert, das im Mürztal zwischen Bruck an der Mur und Mürzzuschlag stattfand, wurden einige Identitäten festgestellt, berichtete der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber. Die Ermittlungen seien noch im Gange. Es seien Menschen in ganz Österreich betroffen, auch solche, die nicht in Österreich wohnen.An der Razzia, die am Dienstag in den frühen Morgenstunden in allen Bundesländern außer Tirol lanciert wurde, waren 217 Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der zuständigen Landesämter für Verfassungsschutz, des Einsatzkommandos Cobra und der jeweiligen Einsatzeinheiten in den Ländern beteiligt. “Die Bilder zeigen, dass es dem Täterkreis um eine Heroisierung nazistischer Ideen gegangen ist”, betonte Christian Pilnacek, Generalsekretär des Justizministeriums. Es wurden bei der Pressekonferenz Fotos präsentiert, die unter anderem Darstellungen von Mitgliedern des rassistischen Geheimbundes Ku Klux Klan oder der Schwarzen Sonne zeigen, eines wichtigen Erkennungssymbols der rechtsextremen und rechtsesoterischen Szene.

Auch einige der sichergestellten Waffen und Kriegsmaterialien waren zu sehen, darunter Schusswaffen, Granaten sowie verschiedene Hieb- und Stichwaffen. Kriminaltechnische Untersuchungen würden zeigen, ob und inwieweit die Waffen funktionsfähig sind.

Ermittlungen gegen 90 Beschuldigte laufen seit Anfang 2018

Laut der die Ermittlung führenden Staatsanwaltschaft Leoben laufen die Ermittlungen seit Anfang 2018 gegen mittlerweile rund 90 Beschuldigte. Hauptbeschuldigter ist ein 1990 geborener Steirer, der den Gig organisiert hatte. Bei dem Konzert in der Obersteiermark haben die Teilnehmer demnach “rechtsradikales Gedankengut” verbreitet. Bereits im vergangenen Sommer wurde bei Hausdurchsuchungen erhärtet, was letztlich zu der Aktion am Dienstag führte. Dass es erst jetzt zu der Aktion kam, erklärte die Staatsanwaltschaft damit, dass “neben den sehr aufwrndigen Ermittlungen (…) mit der Bearbeitung des Falls ein mittlerweile im Dauerkrankenstand befindlicher Staatsanwalt befasst war”.

Unklar war laut Goldgruber und Pilnacek, ob es Verbindungen der Beschuldigten zu Identitären und/oder Burschenschaftern gibt. Es werde Aufgabe der weiteren Ermittlungen sein, dies zu klären, sagten Pilnacek und Goldgruber.

Beide Generalsekretäre betonten, dass die Aktion zeige, dass die Strafverfolgungsbehörden “aktiv gegen Neonazismus und Rechtsextremismus” ermitteln. “Die Hausdurchsuchungen zeigen, dass das BVT in Sachen Rechtsextremismus voll handlungsfähig ist”, sagte Goldgruber. Nicht zuletzt beim BVT-Ausschuss war Kritik in dieser Richtung wiederholt geäußert worden.

Pilnacek wies auch zurück, dass es sich bei den Hausdurchsuchungen um eine politisch motivierte Aktion handle. Hausdurchsuchungen “kann man nicht so steuern nach politischer Beliebigkeit”, sagte der Generalsekretär und verwies auf die Vorbereitungszeit.

Für JETZT “überfällig”

Die am Dienstag in ganz Österreich gegen die rechtsextreme Szene durchgeführten Razzien hat die Liste JETZT als “längst überfälligen ersten Schritt” bezeichnet. Dass Justizminister Josef Moser (ÖVP) das Heft des Handelns in die Hand genommen habe, sei “gut und wichtig”, meinte JETZT-Sicherheitssprecherin Alma Zadic.Denn die im vergangenen Jahr beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchgeführten Haudurchsuchungen dürften das Vorgehen gegen die rechtsextreme Szene “erheblich” verzögert haben, fürchtete Zadic: “Das ist die alleinige politische Verantwortung von FPÖ-Innenminister Kickl.”

Die Nationalratsabgeordnete zeigte sich zudem “angesichts der bestehenden Verflechtungen der FPÖ mit führenden Vertretern der rechtsextremistischen Szene” nicht verwundert, wenn im Rahmen der Ermittlungen Verbindungen zum politischen Umfeld der FPÖ ans Licht kommen würden.

Razzien: Verdächtige sind 24 bis 50 Jahre alt

Die Staatsanwaltschaft Leoben hat am Mittwoch noch Details zu den 32 Hausdurchsuchungen in der rechtsextremen Szene genannt: Unter den 32 verdächtigen Österreichern, bei denen Datenträger und Waffen sichergestellt wurden, befinden sich 26 Männer und sechs Frauen. Sie sind im Alter von 24 bis 50 Jahre. Elf und damit die meisten der Hausdurchsuchungen erfolgten in der Steiermark.

Andreas Riedler, Sprecher der Staatsanwaltschaft Leoben, sagte Mittwochmittag auf APA-Nachfrage, dass neben der Steiermark auch noch sechs Hausdurchsuchungen in Niederösterreich, fünf in Vorarlberg, drei in Salzburg, je zwei in Kärnten, Oberösterreich und dem Burgenland sowie eine in Wien stattgefunden haben. Er bestätigte, dass der ursprünglich mit dem Akt betraute Staatsanwalt seit längerer Zeit im Krankenstand ist, weshalb vor einigen Monaten ein anderer den Fall übernommen habe.

Insgesamt 90 Verdächtige

Aufgrund der umfangreichen Ermittlungen und mehrerer Rechtshilfeersuchen bei ausländischen Behörden – einige der insgesamt rund 90 Verdächtigen befinden sich derzeit im Ausland – habe es gedauert, bis es zur Planung der koordinierten Hausdurchsuchungen gekommen sei, erklärte Riedler. Nun müssen die sichergestellten Datenträger ausgewertet werden. Zudem müssen die gefundenen Waffen spezifiziert werden, sagte Riedler. Geklärt werde, ob sie unter das Waffengesetz fallen, ob es sich um Kriegsrelikte handelt und ob die Waffen funktionstüchtig sind.

Die Ermittlungen dürften voraussichtlich noch Wochen, wohl eher Monate dauern. Berichte der “Kleinen Zeitung”, wonach das am Dienstag genannte Konzert vom März 2018 im Veitscherhof in der Gemeinde St. Barbara im Mürztal stattgefunden habe, bestätigte Riedler nicht. Ebenso wenig wollte er sich aus ermittlungstaktischen Gründen dazu äußern, ob das Konzert tatsächlich als Geburtstagsfeier angekündigt war. Geprüft werde derzeit auch noch, ob Haftgründe vorliegen.

Kickl sieht BVT handlungsfähig

Den Vorwurf, die Regierung hätte die Präsentation der Ermittlungsergebnisse angesichts der jüngsten Negativschlagzeilen über die Verbindungen der FPÖ zu den “Identitären” bewusst inszeniert, wies Kickl im Pressefoyer nach dem Ministerrat zurück und stellte die Gegenfrage, ob man denn auf die Razzia hätte verzichten sollen. “Das wäre geradezu absurd.” Zudem sah er die Vorwürfe, dass das BVT unter seiner Ministerschaft nicht alle Formen des Extremismus am Radar hätte, als widerlegt an.

Auch ein Bericht der “Washington Post”, wonach im Rahmen der Hausdurchsuchung im BVT auch Daten mitgenommen worden seien, welche die Verbindungen zwischen Identitären und der FPÖ belegen sollen, sei aus Kickls Sicht widerlegt. Alle Akten im BVT werden elektronisch geführt, so Kickl: “Sie waren niemals Gegenstand der Hausdurchsuchung.” Zudem seien sie immer in der Hand des BVT gewesen.

(APA/Red)

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