Die Wiener raunzen sehr gern und schnell, was besonders dann augenscheinlich wird, wenn die Hauptstadt im Schnee versinkt. Dann wird etwa gerne über die schlechte Räumung der Straßen und Gehsteige geklagt – und das scheinbar unabhängig davon, wie viele Schneepflüge unterwegs sind. Dieses Verhalten hat Vorteile: Es sei wichtig für die Psychohygiene, so Stadtpsychologin Cornelia Ehmayer.
Immer das gleiche Wetter wäre Katastrophe
Es wäre für die Wiener eine Katastrophe, wenn sie am Äquator mit immer demselben Wetter leben müssten, so Ehmayer. Für die Hauptstädter sei Schneefall ein Naturereignis, das über sie hereinbricht – im Gegensatz zur ländlichen Bevölkerung, die mit den Wetterkapriolen lebt.
Andererseits braucht das hauptstädtische Gemüt offensichtlich ungemütliche Witterungsverhältnisse. Ehmayer berichtete, dass in Interviews zu ihrer Studie Wesen Wien von den Befragten immer wieder das Thema Wetter in den Blickpunkt gerückt wurde.
Raunzen fördert Kommunikation
So wirke das Raunzen über das Wetter Kommunikation fördernd. Niemand frage nach, wenn die Antwort auf die Frage Wie gehts? laute Gut, so Ehmayer. Beklagt sich der Gegenüber jedoch, hat man bereits einen Anlass für gemeinsames Lamentieren – geteiltes Leid ist eben doch halbes Leid.
Das Jammern befreit und wird durchaus mit einem Augenzwinkern betrieben. Überraschender Weise wolle der Klagende keine Verbesserung der Situation, so die Diagnose der Psychologin. Darin liege dann auch die Gefahr. Die Dinge, die man wirklich verändern könne, werden ebenso apathisch betrachtet wie das unbeeinflussbare Wetter.
Redaktion: Birgit Stadtthaler