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Rätselraten über Äußerung zu Papst-Rücktritt

Obwohl das Kirchenrecht ausdrücklich die Möglichkeit eines Rücktritts des Papstes von seinem Amt vorsieht, galt selbst die theoretisch-abstrakte Erörterung dieser Frage bisher als Tabu-Thema.

Nun ist Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano, immerhin die Nummer Zwei nach Johannes Paul II., auf das heikle Thema eingegangen. Zur Frage, ob der Papst die Hypothese eines Rücktritts erwäge, meinte der Kardinal am Montagabend: „Das überlassen wir dem Gewissen des Papstes“.

Der Kontext macht klar, dass Sodano selbst es für unwahrscheinlich hält, Johannes Paul II. könnte derzeit von der rechtlichen Rücktrittsmöglichkeit Gebrauch machen. Der Papst selbst hat einen Verzicht auf sein Amt, das er als „Dienst“ bezeichnet und versteht, stets zurückgewiesen. Er bleibe im Amt, so lange Gott es wolle, erklärte er 1995 zu seinem 75. Geburtstag. Und als er genau ein Jahr zuvor, 1994, in der Gemelli-Klinik lag, meinte er zu den Ärzten: „Ich muss gesund werden, weil es keinen Platz für pensionierte Päpste gibt“.

Nun rätseln Vatikan-Beobachter, aber auch Vatikan-Insider, ob Sodano mit seiner Einlassung auf das „Tabu-Thema“ eine Botschaft lancieren oder auf eine ihm peinliche Journalistenfrage ausweichend antworten wollte. Möglicherweise wollte er auch nur auf einen scharfen Kommentar der französischen Zeitung „Le Monde“ reagieren, in dem es hieß, mittlerweile sei es eine bloße „Fiktion“, dass der schwer kranke Papst noch regiere. Es gebe „keine Wende der vatikanischen Politik“ meinte ein Vatikanprälat, man sollte die Äußerung des Kardinal-Staatssekretärs nicht überinterpretieren. Sodano habe eigentlich nur für einen Diskussionsstopp über das delikate Thema plädiert.

Über das Rätselraten hinaus gibt es keine weiteren Erkenntnisse. Tatsache ist, dass das Kirchenrecht in Artikel 332 einen päpstlichen Amtsverzicht vorsieht. Tatsache ist auch, dass Johannes Paul II. in seinen Bestimmungen über ein künftiges Konklave den Beginn einer Sedisvakanz außer mit dem Tod eines Papstes auch auf Grund „anderer Umstände“ gegeben sieht. Dies wäre etwa mit der „völligen Behinderung des römischen Bischofsstuhles“ gegeben, wenn beispielsweise ein Papst sein Amt nicht mehr ausüben kann, weil er monatelang im Koma liegt. Offen ist, ab wann genau eine solche Behinderung gegeben wäre und wer darüber zu entscheiden hätte. Weder das Kirchenrecht noch die Sedisvakanz-Bestimmungen des Papstes geben darauf eine Antwort. Durch die Sprechprobleme des Papstes sei eine solche Voraussetzung derzeit jedenfalls nicht gegeben, sagte kürzlich Kardinal Mario Francesco Pompedda.

Im Canon 332, Paragraf 2 des kirchlichen Gesetzbuches „Codex Iuris Canonici“ (CIC) heißt es: „Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.“ Die Bedingungen, dass der Rücktritt aus freien Schritten erfolgen und hinreichend publik gemacht werden muss, sind erst bei der Neufassung des Kirchenrechts unter Papst Johannes Paul II. im Jahr 1983 ins Gesetz aufgenommen worden.

Ein Amtsverzicht führt – ebenso wie der Tod des Papstes – zur Vakanz des Apostolischen Stuhls des Bischofs von Rom. Neben der Vakanz kennt das Kirchenrecht auch die Möglichkeit der „völligen Behinderung des römischen Bischofsstuhls“. Sollte diese eintreten, ist gemäß Canon 335 ebenso zu verfahren wie im Falle einer Vakanz. Der CIC schreibt nicht vor, von wem und in welchem Verfahren eine „völlige Behinderung“ festgestellt wird.

Der spektakulärste Papst-Rücktritt ereignete sich 1294. Damals dankte der fünf Monate zuvor gewählte Papst Cölestin V. ab; er starb 1296 und wurde später heilig gesprochen. Mehrere Amtsverzichte von Päpsten und Gegenpäpsten gab es auch während des langen Schismas (Kirchenspaltung), das nach dem Rücktritt von Gregor XII. im Jahr 1415 begann. In der Moderne haben Pius XII. und Paul VI. einen schriftlichen Amtsverzicht vorbereitet. Pius XII. wollte die Kirche damit angesichts einer drohenden Entführung durch deutsche NS-Truppen absichern. Paul VI. wollte verhindern, dass die Kirche im Fall einer langen, sehr schweren Krankheit führungslos bliebe. Beide geheim gehaltenen Amtsverzichts-Schreiben kamen nicht zum Einsatz.

Papst-Freund Messori schließt Rücktritt aus

Papst Johannes Paul II. wird nach Ansicht des katholischen italienischen Publizisten Vittorio Messori nicht von seinem Amt zurücktreten. Auch wenn der 84-jährige Pontifex an Parkinson leide und man ihm die Spuren seines mühsamen, oft dramatischen Lebens ansehen könne, sei er mehr denn je entschlossen, sein Amt fortzuführen, schrieb der Papst-Biograf am Dienstag in der Tageszeitung „Corriere della Sera“.

Der Papst habe selbst deutlich gemacht, dass diese Entscheidung sowie die „Kraft zum Weitermachen“ nicht ihm selbst zufalle, sondern Christus, der ihn in dieses Amt berufen habe. „Der Beschlusses des Papstes hat sich nicht geändert. Er hat keine Absicht, auf sein Amt zu verzichten, auch wenn die Krankheit fortschreitet“, so Messori. „Die Kirche wird weiterhin von ihm und nicht von einer Schattenregierung geleitet“, so Messori.

In der katholischen Kirche sei das Leitungsamt ein Mysterium eines Gottes, der Mensch unter Menschen geworden ist. Daher sei es für den Papst unvorstellbar – auch wenn das Kirchenrecht theoretisch den Rücktritt vorsieht -, sich das Kreuz von den Schultern zu nehmen und in Pension oder Ruhestand zu gehen.

Der Papst verstehe sich nach der alten christlichen Formel selbst als „Diener der Diener Gottes“. Und es sei „Sache des Herrn, nicht des Dieners, zu entscheiden, wann die Arbeit beendet ist“, so Messori.

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