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Rasur mit Wellness-Effekt: Rückkehr der Barbiere nach Wien

Old School-Comeback: Barbiere sind in Wien wieder auf dem Vormarsch
Old School-Comeback: Barbiere sind in Wien wieder auf dem Vormarsch ©APA
Die Zeiten ändern sich: Für die Urgroßväter-Generation war der wöchentliche Besuch beim Herrenfriseur samt Rasur noch Alltag. Doch der Siegeszug praktischer Rasierklingen für den Hausgebrauch und das Aufkommen billiger Unisex-Friseure hatten für den traditionellen Barbier keinen Platz mehr gelassen. Nun entdecken Friseure klassische Männer-Behandlungen neu - die Barbiere kehren wieder.
Ein Besuch beim Barbier

Im Zuge der Retro-Welle kehren die klassischen männlichen Dienstleistungen langsam wieder in die Salons zurück. Friseur-Weltmeister Wilhelm Hüllerbrand hat vor acht Jahren das Entree seines mehrstöckigen Salons in der Wiener City zu einem reinen Männerrefugium umgestaltet. Neben dem klassischen Haarschnitt bietet der Coiffeur auch Rasuren an. “Die Nachfrage danach steigt immer mehr”, meinte Hüllerbrand. Und es sind längst nicht mehr nur gut situierte Männer in den besten Jahren, die sich unter das scharfe Messer des Meisters wagen. Auch junge Leute entdecken die alte Kunst der Barbiere neu für sich.

Retro-Welle bringt Barbiere zurück

Der Grund dafür mag wohl in der derzeitigen Retro-Welle liegen, die die Vinyl-Schallplatte ebenso wiederauferstehen ließ wie die Tracht. Das unterstrich auch eine umfassende Jugendstudie Anfang April, bei der sich die Jugendlichen zunehmend konservativer zeigten und die klassischen Rollenbilder wieder hoch im Kurs lagen. “Für die jungen Leute ist das Zurück offenbar das neue Vorwärts. Sie kennen das ja nicht”, glaubt auch der Friseur.

Nicht günstig, aber Wellness-Erlebnis

Die Rasur beim Friseur von heute ist allerdings weit mehr als ein Alltagsritual, sie ist eine Zeremonie – und dementsprechend teuer ist sie auch. “Früher hat eine Rasur 50 Groschen gekostet, heute sind es schon um die 60 Euro”, sagte Hüllerbrand. Dafür bekommt man für sein Geld eine regelrechte Wellness-Behandlung: Zuerst wird eine heiße Kompresse auf das Gesicht gelegt, um die Haut vorzubereiten. Danach wird eingeseift und es folgt die erste Rasur mit einem klassischen offenen Rasiermesser.

“Mit einem normalen Rasierer kann man niemals so direkt auf der Haut rasieren”, so Hüllerbrand. Nach dem ersten Durchgang wird der Kunde noch einmal eingeseift und ein zweiten Mal mit der scharfen Klinge behandelt. Abgeschlossen wird die Prozedur mit einer kalten Kompresse und dem Auftragen einer hautpflegenden Creme.

Rasur damals und heute

Früher waren die Barbiere weit weniger zimperlich, sie beendeten ihre Rasur mit dem sogenannten Scharfspritzen, bei dem dem Mann zum Schluss hochprozentiger Alkohol als Aftershave ins Gesicht gespritzt wurde. “Das brennt höllisch, aber es hat die Haut gepflegt. Ich biete es nicht an, es fragt allerdings auch niemand mehr danach.” Eines hat sich aber nicht verändert: Auch heute hat der Friseur bei der Rasur stets an der rechten Seite des Kunden zu sein. “So sieht man gleich, ob es sich um einen Könner oder einen Stümper handelt”, so Hüllerbrand.

Die Geschlechtertrennung bei Hüllerbrand wird übrigens auch von den Frauen sehr geschätzt, die im ersten Stock des Salons separat verschönert werden. “Die Frauen sehen manchmal nicht so gut aus, wenn sie etwa Farbe auf dem Kopf haben und bleiben dann lieber unter sich. Die Männer sind aber genauso eitel, schließlich sind wir eine Spezies”, meinte der Meister.

(apa/red)

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