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Rapid: Sportdirektor Helmut Schulte zieht im Interview Bilanz

Helmut Schulte bleibt nur noch bis Jahresende bei Rapid.
Helmut Schulte bleibt nur noch bis Jahresende bei Rapid. ©APA
Eine kurze, aber ereignisreiche Zeit neigt sich für Helmut Schulte, Sportdirektor beim SK Rapid Wien, dem Ende zu. Im Interview zieht der Deutsche, der den Fußball-Rekordmeister mit Jahresende verlässt und zum deutschen Zweitligisten Fortuna Düsseldorf wechselt, Bilanz. Er habe "sehr viel gelernt", betont er.

Wie sieht Ihr Resümee nach einem Jahr bei Rapid aus?

“Ich bin sehr froh über diese Erfahrungen und habe sehr viel gelernt – über den österreichischen Fußball, über Österreich, Wien und mich selbst. Es tut jedem gut, im Ausland zu arbeiten und zu erfahren, wie es ist, Ausländer zu sein. Nach meinem Amtsantritt kam bald die Phase eines sportlichen Misserfolgs. Das hat natürlich aufs allgemeine Wohlbefinden abgefärbt. Wenn man nach viereinhalb Monaten im Amt ein Plakat mit der Aufschrift ‘Schulte zurück an die Waterkant’ präsentiert bekommt, dann ist das schon heftig, aber es hat dazugehört. Im Sommer ist es dann sukzessive besser geworden. Zuletzt sind viele auf mich zugekommen und haben mich gebeten zu bleiben, was eine tolle Wertschätzung ist. Wenn man dann noch gebeten wird, bei der Suche des Nachfolgers zu helfen, ist das eine rundum schöne Geschichte.”

Wie lange wird die Suche nach Ihrem Nachfolger noch dauern?

“Was den Zeitpunkt betrifft, will ich mich nicht festlegen. Es ist geplant, dass es einen geordneten Übergang gibt und der neue Sportdirektor im neuen Jahr sein Amt antritt.”

Worauf muss sich Ihr Nachfolger gefasst machen?

“Dass in Österreich ab und zu mehr Plätze im Stadion frei als besetzt sind, obwohl die Stadien klein sind. Und dass man öfters auf gefrorenen Plätzen spielt. Ansonsten, dass man bei Rapid als Sportdirektor sehr gute Arbeitsbedingungen vorfindet.”

Welche Ihrer Entscheidungen bei Rapid würden Sie nachträglich wieder rückgängig machen?

“Die Verlängerung von Peter Schöttel hat sich als voreilig herausgestellt, auch wenn ich ihn als Menschen und Trainer nach wie vor sehr schätze.”

Leidet Rapid an zu hoher Erwartungshaltung des Umfelds?

“Im Verein habe ich definitiv keinen mit einer unrealistischen Erwartungshaltung getroffen. Aber Rapid ist der Verein mit den meisten Fans in Österreich, deswegen muss man gewisse Erwartungen erfüllen. Und von Medien und interessierten Zuschauern wird ganz stark vermittelt, dass Rapid den Anspruch hat, jedes Spiel gewinnen zu müssen. Es ist zwar verständlich, sich so etwas zu wünschen, aber irrationale Zielsetzungen haben noch keinem geholfen.”

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Medien-Kommentare von “Experten”?

“An das Legenden- und Expertentum in Österreich muss man sich erst einmal gewöhnen. Letztlich ist es besser, wenn jene Leute Entscheidungen treffen, die interne Kenntnisse haben und in der Verantwortung sind. Alle andern sind ja nur Beobachter.”

Ist die von Neo-Präsident Michael Krammer ausgegeben Zielsetzung realistisch, unter die Top 50 Europas zu kommen?

“Es ist auf jeden Fall ein ambitioniertes Ziel. Es soll den handelnden Personen vermitteln, dass man etwas bewegen will. Ich will diese Zahl nicht auf die Goldwaage legen, sondern sehe sie als Symbol, dass man nach oben will.”

Wie kann der Weg nach oben gelingen?

“Man braucht unbedingt ein neues Stadion, um das ganze Potenzial von Rapid zu sehen. Im Moment sieht man es nur zu zwei Drittel. Das Stadion ist für die Entwicklung des Clubs das alles entscheidende Thema. Ansonsten kann man die Einnahmensituation nur dann steigern, wenn man den Verein verkauft – das ist nicht gewollt, und das ist auch gut so.”

Rapid ist der Club mit der größten Anhängerschaft in Österreich – warum muss man trotzdem jedes Jahr um ein ausgeglichenes Budget kämpfen?

“Das ist nicht mein tägliches Geschäft. Aber ich glaube, dass wir gute Leute haben, die alles machen, was machbar ist. Das Budget ist auch groß genug. Es wurde bisher eben jedes Jahr ein gewisses Risiko eingegangen, und das hat in den letzten fünf Jahren viermal funktioniert.”

Rapid sanierte das Budget in der Vergangenheit auch öfters durch Spielerverkäufe. Muss sich der Club damit abfinden, nur noch Ausbildungsverein zu sein?

“Wenn ein Verein gut ausbildet und eine hohe Durchlässigkeit in die erste Mannschaft hat, dann ist Ausbildungsverein eine Ehrbezeugung. In Österreich ist das Wort Ausbildungsverein leider auch negativ besetzt. Schön wäre es, wenn nur vereinzelt Spieler von außen kommen, die das Team auch wirklich besser machen. Man kann aber in Österreich Spitzenverein und Ausbildungsverein sein. Man muss nur zur Kenntnis nehmen, dass es deutlich attraktivere Ligen gibt und die Spieler ihre Möglichkeiten ausreizen wollen. Wenn sie dann gehen, muss man in der Lage sein, nachzuschieben, und da ist Rapid auf einem guten Weg.”

(Das Gespräch führte Alois Tschida/APA)

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