Putin ordnet Entsendung von Truppen in den Osten der Ukraine an

Die Einheiten sollen in den von Moskau nun als unabhängige Staaten anerkannten "Volksrepubliken Luhansk und Donezk" für Frieden sorgen, wie aus einem Dekret hervorgeht, das der Kremlchef am Montag in Moskau unterzeichnet hat. Als Reaktion auf die Vorgehensweise Moskaus kündigten die EU und die USA umgehend Sanktionen an.
Laut dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte haben sich die EU-Staaten auf ein begrenztes Sanktionspaket verständigt. "Ziel sind jene, die für diese Entscheidung verantwortlich sind", sagte Rutte im niederländischen Fernsehen mit Blick auf die Anerkennung von Separatisten-Gebieten durch Russland. Entscheidungen zu Details der Maßnahmen würden vermutlich am Dienstag getroffen.
Separatistengebiete als Staaten anerkannt
Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten anerkannt. Der Kremlchef unterzeichnete am Montag nach einem Antrag der Separatisten ein entsprechendes Dekret, wie das russische Staatsfernsehen zeigte. Zudem unterzeichnete er ein Freundschaftsabkommen mit den Separatisten in der Ostukraine.
Der Kremlchef bezeichnete die Ukraine am Montag als einen durch Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat. Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der "Dekommunisierung", so Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. "Wir sind bereit, der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist."
"Nie echte Staatlichkeit gehabt"
Die Ukraine habe nie eine "echte Staatlichkeit" gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, meinte Putin. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen - unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe.
Scharfe Attacken gegen NATO
Zudem warnte Putin in einer TV-Ansprache davor, dass in der Ukraine Atomwaffen hergestellt werden könnten. "Wir wissen, dass es bereits Berichte gab, die Ukraine wolle ihre eigenen Atomwaffen herstellen. Das ist keine leere Prahlerei." "Die Ukraine verfügt tatsächlich immer noch über sowjetische Nukleartechnologien und Trägersysteme für solche Waffen."
Der NATO warf der Kremlchef vor, mit einer "unverschämten Aneigung" der Ukraine begonnen zu haben. Der Westen wolle die Ukraine als "Theater möglicher Kampfhandlungen" erschließen, betonte Putin.
EU warnt Russland
Die EU warnte Russland vor einer Anerkennung der beiden abtrünnigen ukrainischen Provinzen Luhansk und Donezk.
Sollte sich Putin dafür entscheiden, stehe die EU mit geschlossener Front für eine starke Reaktion bereit, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor Journalisten in Brüssel.
Zuvor hatte Deutschlands Kanzler Olaf Scholz nach Angaben eines Sprechers vor der Anerkennung der beiden ukrainischen Regionen als unabhängige Staaten gewarnt. Ein solcher Schritt stünde "im krassen Widerspruch" zu den Minsker Abkommen zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Ostukraine und wäre ein "einseitiger Bruch" dieser Vereinbarungen seitens Russlands, sagte Scholz in dem Telefonat mit Putin. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beruft wegen der jüngsten Entwicklungen eine Dringlichkeitssitzung des nationalen Sicherheitsrates ein, wie das Präsidialamt mitteilte.
Die "Volksrepubliken" und das russische Parlament hatten zuvor Putin aufgefordert, die Unabhängigkeit anzuerkennen. Der russische Sicherheitsrat hatte bei einer Sondersitzung die Anträge mit großer Mehrheit unterstützt.
Weitere Angriffe
Unterdessen wurden bei einem Angriff pro-russischer Milizen auf ein Dorf an der Frontlinie in der Ostukraine nach Angaben der ukrainischen Polizei zwei Soldaten getötet. Drei weitere ukrainische Soldaten seien verletzt worden, teilte die Polizei am Montag mit.
Demnach ereignete sich der Angriff in der Nähe des nördlich von Donezk gelegenen Dorfes Nowoluhansk, in dem zuvor nach Angaben des örtlichen Gouverneurs bereits ein Zivilist durch Beschuss pro-russischer Rebellen getötet worden war.
Aktuell befinden sich rund 150 registrierte Österreicher und Österreicherinnen in der Ukraine. Die Gesamtzahl sei vermutlich aber höher, da sich nicht alle Reisenden beim Außenministerium registrieren. 52 Österreicher baten bisher um Hilfe bei der Ausreise aus dem Land, berichtete der Kurier (Dienstagsausgabe).
Erst am Wochenende verhängte das österreichische Außenministerium eine Reisewarnung für die Ukraine.
Appelle zur Vermeidung eines Krieges
Der Ständige Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat sich unterdessen am Montagnachmittag in einer Sondersitzung mit der Ukraine beschäftigt. Der ukrainische OSZE-Botschafter Jewhenij Zymbaljuk, der die Sitzung beantragt hatte, betonte, dass ungeachtet russischer Provokationen die Ukraine und ihre Partner weiter auf eine politische Lösung in der Ostukraine sowie einen diplomatischen Dialog setzten. Mit formalen Entscheidungen wurde nicht gerechnet.
Politikwissenschaftler zum Ukraine-Konflikt:
"Die Ukraine hat keine Pläne für einen Angriff auf die temporär besetzten Gebiete in der Region Donezk und Luhansk oder für Sabotageakte in der Region", sagte Zymbaljuk laut seinem der APA vorliegenden Redetext. Ausführlich betonte er die Wichtigkeit der OSZE in diesem Prozess und betonte, dass insbesondere die Sonderbeobachtungsmission (SMM) eine besondere Rolle spiele.
Explizit forderte der ukrainische Diplomat Moskau dabei zu einer Deeskalation sowie zu einer konstruktiven Teilnahme an existierenden Formaten wie dem Normandie-Format oder der trilateralen Kontaktgruppe der OSZE auf. "Wir sind überzeugt, dass der effizienteste Weg unsere Sorgen über mögliche neue Angriff Russlands der sofortige Rückzug russischer Truppen aus der Grenzregion mit der Ukraine sowie von der Krim ist", sagte er. Zudem solle Russland auf kriegerische Rhetorik und Androhungen von Gewalt verzichten sowie die Sicherheitsrichtlinien der Minsker Vereinbarungen erfüllen.
(APA)