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Putin und Trump befeuern in Europa Debatte über Wehrpflicht

Je näher an Russland, desto größer wird der Handlungsbedarf zur Verteidigungsbereitschaft in vielen Ländern Europas gesehen.
Je näher an Russland, desto größer wird der Handlungsbedarf zur Verteidigungsbereitschaft in vielen Ländern Europas gesehen. ©APA/AFP/SPUTNIK/ALEXEY NIKOLSKY/NICHOLAS KAMM, APA
Erst der russische Angriff auf die Ukraine, dann die erratische Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump: Die heikle Sicherheitslage facht in vielen europäischen Ländern eine Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht an.

In Österreich soll eine Expertenkommission des Bundesheers prüfen, ob der aktuell sechsmonatige Grundwehrdienst reformiert werden muss.

Vorsitzender der Expertenkommission und Milizbeauftragter Erwin Hameseder sprach sich im Ö1-"Mittagsjournal" am Donnerstag klar für eine Verlängerung des aktuell sechsmonatigen Grundwehrdienstes aus.

Milizbeauftragter für Verlängerung des Wehrdienstes

Rückkehr der Wehrpflicht in Europa

"Wenn sich das Meer zurückzieht, sieht man, wer nackt schwimmt", sagt der französische Ex-Oberst und Historiker Michel Goya mit Blick auf den Rückzug der USA aus transatlantischen Verpflichtungen. "Derzeit haben viele europäische Länder den Eindruck, etwas nackt dazustehen."

Deutschland

Die Ampel-Regierung in Berlin (SPD, Grüne, FDP) hatte kurz vor ihrem Bruch Ende des Vorjahres Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für einen neuen Wehrdienst initiiert. Sie sehen unter anderem vor, alle jungen Männer und Frauen anzuschreiben, um sie nach ihrer Bereitschaft zum Dienst bei der Bundeswehr zu befragen. Auf diese Weise sollen mehr junge Menschen rekrutiert werden. Eine Dienstpflicht lehnt Pistorius vorerst jedoch ab.

Der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn forderte hingegen kürzlich die baldige Wiedereinführung der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht: "Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten", betonte er.

Estland, Lettland, Litauen

Je geringer die Entfernung eines Landes zu Russland, desto intensiver sind die Bemühungen, die eigenen Streitkräfte zu stärken. In den Baltischen Staaten, die früher zur Sowjetunion gehörten, wird die russische Bedrohung besonders intensiv empfunden. In Estland ist der Wehrdienst für Männer verpflichtend und für Frauen freiwillig. Lettland führte die erst 2006 abgeschaffte Wehrpflicht vor zwei Jahren wieder ein. Heute gibt es dort mehr Bewerber als bezahlte Posten bei den Streitkräften.

Finnland

Das früher neutrale Neo-NATO-Land Finnland, das eine lange Grenze mit Russland teilt, hat die Wehrpflicht seit Ende des Zweiten Weltkriegs nie abgeschafft. "Dieses Land hat die Invasion seines Territoriums durch die Rote Armee erlebt. Die Finnen wissen, was es bedeutet, Russen auf ihrem Gebiet zu haben", sagt Maxime Launay vom Institut für strategische Forschung der Militärschule in Paris.

Polen

Der polnische Regierungschef Donald Tusk will von 2027 an jährlich 100.000 Freiwillige zwischen 18 und 60 Jahren militärisch ausbilden lassen. Derzeit nehmen jährlich etwa 35.000 Menschen in Polen an einer vergleichbaren Militärausbildung teil.

Frankreich

In Frankreich wird die Debatte kontrovers geführt. Präsident Emmanuel Macron räumte kürzlich in einem Interview ein, dass die Rückkehr zur Wehrpflicht "keine realistische Option" sei. Stattdessen wolle er nach Wegen suchen, "Zivilisten zu mobilisieren". Bis Mai sollen Regierung und Armee Vorschläge unterbreiten, wie mehr junge Freiwillige mobilisiert werden können, um die Streitkräfte im Bedarfsfall zu unterstützen. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage sprachen sich 53 Prozent der Franzosen für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht aus.

(APA)

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