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Präsidentenwahl auf Eis gelegt

Türkei - Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten in der Türkei ist mit dem förmlichen Verzicht von Außenminister Abdullah Gül auf eine weitere Kandidatur jetzt auch offiziell gescheitert. Gül verzichtet

Das stellte das Parlament in Ankara am Mittwoch nach Verlesung der Verzichtserklärung fest. Sein Rückzug von seiner Kandidatur hatte Gül schon am Sonntag mitgeteilt, als er in einem zweiten Anlauf am Boykott der Opposition gescheitert war. Laut Verfassung müssen jetzt unverzüglich Parlamentsneuwahlen stattfinden. Als Ausweg aus der Staatskrise wurde ein Termin dafür zunächst für 22. Juli festgelegt,

Vize-Parlamentspräsident Nevzat Pakdil begründete das Stoppen des Präsidentschaftswahlprozesses am Mittwoch damit, dass es keinen Kandidaten mehr gebe, nachdem sich Außenminister Abdullah Gül am Wochenende aus dem Rennen um das höchste Staatsamt zurückgezogen habe. Gül von der islamisch geprägten regierenden AKP war zuvor zweimal im Parlament gescheitert, wo die Opposition die Abstimmungen geschlossen boyxkottierte. Ein neuer Anlauf zur Präsidentenwahl ist erst nach den Parlamentswahlen geplant. Der bisherige Präsident Ahmet Necdet Sezer, dessen Amtszeit eigentlich am 16. Mai ausläuft, bleibt solange im Amt.

Ein Scheitern Güls, der als einziger Kandidat der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan angetreten war, hatte sich bereits vor knapp zwei Wochen nach einer deutlichen Warnung der Militärführung abgezeichnet. Der erste Wahlgang, bei dem Gül die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt hatte, war wenig später vom Verfassungsgericht annulliert worden.

Mit Massenprotesten gegen Gül, die von der Opposition und türkischen Nicht-Regierungsorganisationen organisiert worden waren und Millionen Menschen mobilisierten, war der Druck auf die Regierung zusätzlich erhöht worden. Das laizistische Lager und die Armee kritisierten die Kandidatur des ehemaligen Islamisten Gül auf das Schärfste. Sie befürchteten eine schleichende Islamisierung des EU-Anwärterstaates. Die EU-Institutionen lehnten sich hingegen weit hinaus, indem sie die Kandidatur des Außenministers lobten.

Nach ihrer Niederlage gegen die Armeeführung und die auf Trennung von Staat und Religion bedachte Opposition wollen Erdogan und seine islamisch-konservative AKP jetzt eine Direktwahl des Präsidenten per Verfassungsänderung durchsetzen. Darüber soll an diesem Donnerstag in zweiter Lesung im Parlament abgestimmt werden. Beobachter gehen davon aus, dass die AKP die dafür notwendige Mehrheit erhält. Sie könnte von der laizistischen kleineren Oppositionspartei ANAVATAN (Mutterlandspartei) unterstützt werden.

Allerdings hat der noch amtierende Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer, der als entschiedener Gegner der AKP-Regierung gilt, ein Vetorecht und kann die Änderung nach 15-tägiger Bedenkzeit zur Neuberatung an das Parlament zurückgeben. Danach besteht die Möglichkeit einer Volksabstimmung. Dass diese zeitgleich mit der Parlamentsneuwahl am 22. Juli stattfinden könnte, wie es Erdogan und seine AKP anstreben, halten Beobachter auch aus Zeitgründen für wenig wahrscheinlich.

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