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Prozessbeginn um millionenschweren Sozialbetrug im Baugewerbe

Der Prozess um den millionenschweren Betrug im Baugewerbe soll bis Oktober dauern.
Der Prozess um den millionenschweren Betrug im Baugewerbe soll bis Oktober dauern. ©APA (Symbolbild)
Am Dienstag wurde am Wiener Straflandesgericht der Prozess um einen millionenschweren Sozialbetrug im Baugewerbe eröffnet. Angeklagt ist ein 44-jähriger Geschäftsmann, der zehn Sub-Gesellschaften betrieben haben soll, die teilweise nur wenige Monate existierten.

“Bei diesen Gesellschaften war nie geplant, dass Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden”, stellte Staatsanwalt Volkert Sackmann fest. Bis zu 200 Arbeiter waren bei dem 44-Jährigen beschäftigt. Zehn bis 20 waren bei den sauberen Gesellschaften angemeldet, den Rest hatte er laut Anklage bei den anderen Firmen geparkt, wo Strohmänner als Scheingeschäftsführer eingesetzt wurden und die Arbeiter ihren Lohn brutto für netto auf den Baustellen ausbezahlt erhielten. Die Gebietskrankenkasse, das Finanzamt und die Bauarbeiter-Urlaubs- und -Abfertigungskasse fielen um ihre Beiträge um. Inkriminierter Schaden: 9,6 Millionen Euro.

9,6 Millionen Euro Schaden durch Betrügereien

Mit den solcherart ersparten Millionen habe der 44-Jährige “für die eigene Tasche gewirtschaftet” und sich beispielsweise ein teures Hotel in Sarajevo gekauft, erklärte der Staatsanwalt. Das System, das der Mann geschaffen haben soll, war nach Ansicht der Anklagebehörde derart ausgeklügelt und durchdacht, dass es in dem Schöffenprozess (Vorsitz: Christian Böhm) auch um die Bildung einer mafiösen Vereinigung geht. “Das war eine kriminelle Organisation, wie sie im Buche steht”, sagte Sackmann.

Dieser soll auch ein ehemaliges Regierungsmitglied aus Ungarn angehört haben. Der Ex-Staatssekretär war – so die Anklage – zum Schein als Geschäftsführer einer Gesellschaft eingesetzt worden, die in Wahrheit dem Hauptangeklagten zuzurechnen war. Dem Staatsanwalt zufolge wurden sämtliche Geschäftsführer der zehn “Scheinfirmen” stets aus dem Ausland nach Wien gekarrt und zu einem Notar gebracht, wo sie ihre Unterschrift unter die Gründungspapiere setzen mussten. Sodann wurden sie schleunigst wieder außer Landes gebracht, wobei ihnen in der Regel 2.000 Euro als Aufwandsentschädigung übergeben wurden.

Der frühere Staatssekretär soll lediglich 1.000 Euro erhalten haben. Er versichert, er habe im Glauben gehandelt, nichts Unrechtes zu tun. Seine vorgebliche Naivität kostete den Diplomaten allerdings seine Karriere. Als gegen ihn Anklage erhoben wurde, musste er als designierter Botschafter in einem mittelamerikanischen Staat zurücktreten. Seither lebt er von einer Pension von etwas über 900 Euro.

Aufträge wurden von Schwarzarbeitern erledigt

Gegenüber großen Baufirmen wie Porr, Strabag und Swietelsky soll der Hauptangeklagte als seriöser Geschäftsmann, wenn auch unter falschem Namen aufgetreten sein. Er zog regelmäßig Sub-Aufträge an Land, die laut Anklage im weiteren Verlauf notorisch von “Schwarzarbeitern” erledigt wurden. Seinen um zwei Jahre jüngeren Bruder bezeichnete der Staatsanwalt als seine “linke Hand”, einen guten Freund und engen Vertrauten des 44-Jährigen als dessen “rechte Hand”. Neben den beiden sind auch die Ehefrau des bereits einschlägig vorbestraften Mannes, weitere Verwandte, Vorarbeiter und Baumeister angeklagt. Erfolgreiche Vermittler, die ihm Aufträge zuschanzten, soll der Firmenchef mit der Finanzierung von Bordell-Besuchen honoriert haben.

Der Mann wird von den Ergebnissen von monatelangen Telefon-Überwachungen belastet, wobei es dabei anfangs gar nicht um den Verdacht der Bildung einer Baumafia ging. Der 44-Jährige rutschte in den Fokus der Kriminalpolizei, weil er einerseits intensiven Kontakt mit einem ehemaligen, mittlerweile rechtskräftig abgeurteilten Chefinspektor der WienerPolizei hatte, gegen den seinerzeit wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch ermittelt wurde. Andererseits hatte er im Jänner 2009 einem von Bosnien gesuchten Mörder Obdach gewährt.

Als hinsichtlich der Vorgänge in der Baubranche die Verdachtslage dicht genug für einen Haftbefehl war, landete der 44-Jährige in September 2009 in U-Haft. Exakt zwei Tage später hatte er in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ein Handy, über das er ungeniert weiter seine Geschäfte betrieb. Die Polizei hörte allerdings mit und sammelte eifrig weitere Beweismaterial.

Der von Verteidiger Karl Bernhauser vertretene Firmenchef bekannte sich teilweise schuldig. Das Verfahren ist vorerst bis Ende Juli angesetzt, dürfte voraussichtlich aber erst im Oktober zu Ende gehen.

(APA)

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