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Prozess um Pflegeheim: Trio plädierte auf nicht schuldig

Am Landesgericht Wiener Neustadt startete der Prozess rund um Missstände in einem niederösterreichischen Pflegeheim.
Am Landesgericht Wiener Neustadt startete der Prozess rund um Missstände in einem niederösterreichischen Pflegeheim. ©APA/ALEX HALADA
Beim Prozessbeginn rund um Vorfälle in einem Pflegeheim in Kirchberg am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) haben sich die drei Angeklagten am Montag vor dem Landesgericht Wiener Neustadt nicht schuldig bekannt.
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Grobe Missstände in Pflegeheim in NÖ geortet

Einem Mann wird schwere Nötigung angelastet. Zwei Frauen müssen sich wegen Vernachlässigens von wehrlosen Personen verantworten. Unter anderem soll nichts gegen einen Ausbruch der Krätze unternommen worden sein. Ein Urteil wird für Mittwoch erwartet.

Prozess um Pflegeheim: Trio plädierte auf "nicht schuldig"

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Frauen vor, 2021 monatelang zumindest drei Personen vernachlässigt zu haben, indem nichts gegen einen Krätzmilben-Befall unternommen worden sein soll. Die Erstangeklagte muss sich auch wegen fahrlässiger Körperverletzung und Datenfälschung verantworten. Der männliche Beschuldigte soll einer Mitarbeiterin mit einer Klage auf 200.000 Euro gedroht haben, sollte sie die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nicht unterschreiben.

Verteidiger: "Von Reihe von Vorwürfen ist nur ein Bruchteil übrig"

Der Verteidiger der Erstangeklagten betonte im Eröffnungsvortrag: "Von einer Reihe von Vorwürfen ist nur mehr ein Bruchteil übrig geblieben, und auch bei diesem Bruchteil wird sich zeigen, dass diese Vorwürfe unhaltbar sind." Ebenso wie der Rechtsanwalt der zweiten weiblichen Beschuldigten wies er darauf hin, dass bei den in der Anklage genannten Personen in dem Zeitraum kein Verdacht auf Krätze (Scabies) bestanden habe. Als seine Mandantin erstmals von einem Scabies-Ausbruch erfahren habe, habe sie sofort alle nötigen Maßnahmen gesetzt, betonte der Verteidiger der 56-Jährigen.

Vorwürfe von Streichung von abendlichen Mahlzeiten

Ein Scabies-Fall sei erst aufgetreten, als sie nicht mehr in dem Heim beschäftigt war, sagte die Erstangeklagte. Die Vorwürfe der Streichung von abendlichen Mahlzeiten und der unangemessenen Freiheitsbeschränkung bestritt die 49-Jährige ebenfalls. Im Fall einer Bewohnerin, die bei einem Sturz aus dem Bett ohne Seitenteil Prellungen erlitten haben soll, habe sie keine Anordnungen erteilt und nicht Nachtdienst gehabt. Auch zur mutmaßlichen Datenfälschung durch Einträge in die elektronische Pflegedokumentation im fremden Namen bekannte sich die 49-Jährige nicht schuldig.

Zweitangeklagte hielt fest, dass Bewohnerin beim Arzt gewesen sei

Die Zweitangeklagte hielt fest, dass eine Bewohnerin im April 2021 wegen Hautausschlägen beim Arzt gewesen sei. Damals habe kein Verdacht auf Krätze bestanden. Erst im Juni sei sie von der Amtsärztin informiert worden, dass eine Mitarbeiterin Scabies habe. Die 56-Jährige beschrieb die Erstangeklagte als "extrem engagiert".

Sachverständige listete 2021 diverse Verfehlungen im Heim auf

Eine Sachverständige hatte 2021 nach einem dreitägigen Besuch im Heim in einem Gutachten zahlreiche Verfehlungen aufgelistet. Der Betreiber Senecura nannte im Vorfeld des Prozesses Mitarbeitermangel durch Lockdowns und Covid-Krise als Hintergrund der Vorkommnisse. Man habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe reagiert und u.a. die Personalsituation rasch verbessert.

42-Jährige: "Ich war total verunsichert"

Die Anklage gegen den männlichen Beschuldigten bezog sich auf ein Gespräch mit einer Beschäftigten am 7. April 2021 in Wien. Die Mitarbeiterin hatte sich Anfang 2021 mit der Bitte um Überprüfung von Umständen im Heim ans Land Niederösterreich gewandt. Einige Kollegen und sie hätten sich vom Unternehmen nicht gehört gefühlt, sagte die 42-Jährige am Montag dazu als Zeugin. Der Angeklagte habe damals zu ihr gesagt, sie werde auf 200.000 Euro geklagt, wenn sie die einvernehmliche Kündigung mit Zahlung von 15.000 Euro gegen Zusicherung von Verschwiegenheit nicht unterschreibe. "Ich war total verunsichert", sie habe Angst gehabt, schilderte die 42-Jährige.

62-jährige Beschuldigte zeichnete ein anderes Bild von dem Gespräch

Der 62-jährige Beschuldigte zeichnete ein anderes Bild von dem Gespräch: Er habe gesagt, dass er sich bei einem allfälligen Schaden für das Unternehmen überlegen müsste, ob er wegen Wiedergutmachung vor Gericht ziehe. Er habe die Mitarbeiterin "nie im Leben zu einer Unterschrift gezwungen", betonte der Angeklagte. Laut einem Juristen des Heimbetreibers wurden gemeinsam mit der Frau mögliche Konsequenzen beim Brechen der Verschwiegenheitspflicht besprochen. Eine Formulierung wie in der Anklage in seiner Anwesenheit schloss der Zeuge "kategorisch aus". Einem Gewerkschaftsfunktionär soll die Frau im Anschluss an das Gespräch berichtet haben, dass sie mit Klagen eingedeckt werden solle, wenn sie weiter rede.

Angeklagtem drohen bei Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft

Dem Mann drohen im Fall einer Verurteilung sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Bei den beiden Frauen beträgt der Strafrahmen bis zu drei Jahre. Der 62-Jährige und die Zweitangeklagte sind nach wie vor bei Senecura beschäftigt. Ein Strafverfahren wegen Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen das Unternehmen wurde eingestellt.

Die Einzelrichterverhandlung wird am Dienstag mit Fragen an die Gutachterin und zahlreichen Einvernahmen von Zeugen fortgesetzt. Am Mittwoch soll es ein Urteil geben.

(APA/Red)

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