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Prozess um Operation "White Milk": Asyl für "Foltergeneral" für Angeklagten "nicht rechtswidrig"

Der Prozess um die Operation "White Milk" ist am Montag in Wien fortgesetzt worden.
Der Prozess um die Operation "White Milk" ist am Montag in Wien fortgesetzt worden. ©APA (Sujet)
Der Amtsmissbrauch-Prozess gegen Ex-Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Montag in Wien fortgesetzt worden.
Beschuldigte weisen Vorwürfe zurück

Neben einem mitangeklagten BFA-Beamten, der geholfen haben soll, einem mutmaßlichen syrischen "Foltergeneral" Asyl zu beschaffen, kamen zwei Ex-BVT-Chefinspektoren zu Wort.

"Foltergeneral" soll von Zuständen in Gefängnis in Raqqa gewusst haben

Besagtem General werden von der NGO Commission for International Justice and Accountability (CIJA) Kriegsverbrechen vorgeworfen. So soll er als Leiter eines Gefängnisses in Raqqa von Folterungen gewusst haben. Seit längerem ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Causa gegen den General wegen Beteiligung an Körperverletzung und Folter. Dessen ungeachtet wurde der Offizier, der nach seiner Flucht aus Syrien zuerst in Frankreich um Asyl angesucht hatte, auf Basis eines Kooperationsabkommens mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad im Jahr 2015 vom BVT nach Österreich gebracht. Die Umsetzung dieses Planes oblag in wesentlichen Punkten zwei damaligen Chefinspektoren.

Beamter soll General Asyl beschafft haben

"Ich hab das so wahrgenommen, dass der (der General, Anm.) dort (in Frankreich, Anm.) gefährdet war und nicht dort bleiben kann", sagte einer der früheren BVT-Beamten in seiner Einvernahme. Unter mehreren Vorschlägen, wie man diesen nach Österreich schaffen könne, habe man im BVT erwogen, ihm Asyl zu besorgen. Letztlich habe man sich auch dafür entschieden: "Das war vom Abteilungsleiter und von höheren Führungskräften genehmigt. Ich konnte davon ausgehen, dass das nicht rechtswidrig war. Ich konnte davon ausgehen, dass mir meine Vorgesetzten keine rechtswidrigen Aufträge erteilen." Die konkrete Operation habe sein Abteilungsleiter genehmigt - dieser, Martin W., ist in der Causa ebenfalls von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeklagt worden, infolge einer Erkrankung aber derzeit nicht verhandlungsfähig. Das Verfahren gegen den 60-Jährigen wurde zur Vermeidung von Verzögerungen ausgeschieden.

Chefinspektoren brachten Mann nach Wien

Der syrische Offizier wurde Mitte Juni 2015 vom Mossad an die österreichische Grenze gebracht - in einem geheimen Aktenvermerk ist davon die Rede, das "Paket" wäre "geliefert worden". Die Chefinspektoren verbrachten den Mann dann nach Wien, auch dies mit "Segen von oben", wie sie vor Gericht betonten: "Es war weder meine Aufgabe noch die meines Kollegen, etwas ohne Genehmigung der Vorgesetzten zu machen." Auf die Frage der Richterin, ob er etwas von angeblichen Kriegsverbrechen des Generals gewusst habe, erwiderte einer der beiden, dies sei bei einer Vorbesprechung in Paris weder von den israelischen noch den französischen Behörden thematisiert worden: "Und ich bin für solche Recherchen nicht zuständig." Erstmals von entsprechenden Gerüchten habe man Anfang 2016 bei einer Besprechung im Justizministerium Kenntnis bekommen. Bei diesem Termin seien "der Pilnacek (der einst mächtige Sektionschef Christian Pilnacek, Anm.) und weiß Gott wer" dabei gewesen.

Zuvor hatte die vorsitzende Richterin jenen Mann vernommen, der als einziger der vier Angeklagten nicht Teil des Verfassungsschutzes war. Er soll als Leiter des Erstaufnahmezentrums OST in Traiskirchen auf Betreiben eines der zwei BVT-Chefinspektoren dafür gesorgt haben, dass der General der syrischen Staatssicherheit trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen Asyl erhielt.

Bevor ihn der BVT-Chefinspektor kontaktiert hatte, habe er diesen gar nicht gekannt, sagt der BFA-Beamte. Mit den anderen beiden Angeklagten, einem weiteren Chefinspektor sowie dem ehemaligen Spionagechef, habe er bis heute nichts zu tun gehabt.

"Gefährdungsprognose" von BVT im Falle des Generals

Konkret soll der BFA-Beamte auf Betreiben des BVT-Beamten dafür gesorgt haben, dass der Akt des Generals "liegen bleibt", also die zweimonatige Frist nach dessen Ankunft in Österreich abläuft und Österreich damit für dessen Asylverfahren zuständig wird. Der BFA-Beamte selbst bekannte sich dazu "nicht schuldig", und gab auch an, dass es keinerlei "Bestimmung", sprich Anstiftung seitens des BVT ihm gegenüber gab. Ihm sei klar gewesen, dass es sich bei dem General zwar um eine Person handelte, an der das BVT interessiert gewesen sei, "der Fall war für mich aber eigentlich keine wirklich große Geschichte".

Es sei ein "zweischneidiges Schwert", ob man ein Verfahren schnell bearbeite oder eben etwas "liegen lasse". Letzteres habe auch Vorteile, etwa wenn es um Zeugenschutz gehe. Im Falle des Generals habe es vom BVT eine "Gefährdungsprognose" gegeben, wonach er in Frankreich einer Gefahr ausgesetzt gewesen sei, erläuterte der Spezialist für Asyl- und Fremdenrecht.

Bei der Einschätzung, dass der General in Frankreich gefährdet gewesen sei, habe er sich "ganz auf das BVT und die Polizei verlassen". Auf die Frage der Richterin, ob er oder jemand seiner Mitarbeiter keine eigenen Ermittlungen angestellt hätten, antwortete er: "Das wäre für mich überschießend. Wir hatten damals wochenlang 15-Stunden-Dienste", und somit keine Kapazitäten. Da der General "überall gefährdet sein hätte können", habe man das Gespräch im Erstaufnahmezentrum vertraulich abgehalten, sodass er nicht von anderen Asylwerbern gesehen wurde.

Erstaufnahmezentrum weiter von Beschuldigtem geleitet

Der Beamte leitet nach wie vor das Erstaufnahmezentrum. "Wenn ich nicht gerade vor Gericht sitze, mache ich weiterhin meinen Job, der im Übrigen nicht gerade lustig ist", antwortete er auf die Frage, ob es gegen ihn Disziplinarmaßnahmen gegeben habe. Und weiters: "Während ich als Beschuldigter geführt wurde, habe ich vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz bekommen."

Weder sei durch einen Prozess coram publico die öffentliche Sicherheit gefährdet, noch würden dadurch Staatsgeheimnisse veröffentlicht werden, begründete die Richterin die Entscheidung, den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit abzulehnen. Zwischenstaatliche Beziehungen seien durch eine öffentliche Erörterung nicht gefährdet, betonte die Richterin, da über den Inhalt der Verhandlung in den letzten Jahren sowohl in nationalen als auch internationalen Medien berichtet wurde. In der Öffentlichkeit der Verhandlung liege eine wichtige Kontroll- und Präventivfunktion. Das Ergebnis des Verfahrens würde durch einen Ausschluss der Öffentlichkeit entwertet werden, betonte sie. In gewissen Fällen könnten die Angeklagten aber Anträge auf temporären Ausschluss der Öffentlichkeit, für gewisse Verhandlungsteile, stellen, so die Richterin.

(APA/Red)

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