AA

Prozess um Kind in Hundebox: Zeugenaussagen

Der Prozess um das Kind in einer Hundebox ging weiter.
Der Prozess um das Kind in einer Hundebox ging weiter. ©APA/ROLAND SCHLAGER (Symbolbild)
Der Prozess um einen nunmehr 13-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt worden sein soll, ist am Landesgericht Krems in Tag zwei gegangen.
Befragung von Beschuldigter zu Prozess-Auftakt
Prozess-Start am Montag

Im Fokus standen am Dienstag Zeugenaussagen und medizinische Aspekte. Die 33-jährige Hauptangeklagte ist teilgeständig, bestreitet jedoch den ihr angelasteten Mordversuch. Einer möglichen Komplizin (40) wird fortgesetzte Gewaltausübung vorgeworfen, was sie zum Teil in Abrede stellt.

Im Video der kontradiktorischen Vernehmung des 13-Jährigen berichtete der Bub über Streit und oftmalige Misshandlungen durch seine Mutter in der gemeinsamen Wohnung. Auch die Zweitangeklagte beschrieb er als "nicht so nett". Generell zeigte sich das Kind in der rund 45 Minuten dauernden Aufnahme eher wortkarg.

Abschiedsbrief dürfte bei dem Toten keiner gefunden worden sein. Zumindest liegen der Wiener Landespolizeidirektion derzeit keine dahin gehenden Informationen vor. Das Motiv der Bluttat, die dem 53-Jährigen zugeschrieben wurde - der Buchhalter galt spätestens seit Sonntag als Hauptverdächtiger -, ist nach wie vor offen. Die Polizei hat seit dem Auffinden der Leichen durch Befragungen im familiären Umfeld herauszufinden versucht, ob die Frau sich trennen wollte oder ob es eine Ehekrise gegeben hat. Wie weit man dabei gekommen ist, war am Dienstagabend unklar. "Wir werden natürlich fertig ermitteln", meinte Polizeisprecherin Gass.

Sozialarbeiterin kam zu Wort

Zu Wort kam am Dienstag jene Sozialarbeiterin, die mit ihrem Einschreiten letztlich dafür gesorgt hatte, dass der damals Zwölfjährige im November 2022 ins Krankenhaus kam und überlebte. Die Frau hatte die Kindsmutter einst im Rahmen der ambulanten Elternberatung betreut, danach wurde der Kontakt gehalten.

Am 22. November 2022 hatte die Sozialarbeiterin abends ein "wirres und komisches Telefonat" mit der Zweitangeklagten geführt, von der sie damals zum ersten Mal gehört hatte. Die 40-Jährige berichtete am Telefon, dass sie ein Video geschickt bekommen habe, auf dem der Zwölfjährige "in bedenklichem Zustand" zu sehen sei. Aufgrund anhaltender Nervosität der Anruferin entschied die Sozialarbeiterin, sich umgehend gemeinsam mit der 40-Jährigen zur Wohnung der Erstangeklagten zu begeben.

Die Situation vor Ort sei "einfach nur surreal und skurril" gewesen, gab die Zeugin zu Protokoll: "Ich bin sehr erschrocken." Der Bub sei nicht ansprechbar gewesen und auf dem Boden gelegen. "Es war definitiv klar, dass er Hilfe braucht." Nach mehrmaligem Fordern der Sozialarbeiterin - zuletzt "laut und scharf" - verständigte die Mutter die Rettung, regelrecht "mechanisch" und ohne Emotionen.

Kinderarzt berichtete von prekärem Gesundheitszustand

Nun lebt das Kind bei seinem Vater, der auch die alleinige Obsorge hat. Der Dreizehnjährige gehe gerne in die Schule und sei "der liebste Bub", führte der 37-Jährige aus.

Ein Kinderarzt, der den Buben auf Antrag der Staatsanwaltschaft Krems nach der Einlieferung ins Krankenhaus im November 2022 untersucht hatte, berichtete von einem vor allem anfangs sehr prekären Gesundheitszustand. Derzeit gehe es dem Buben aber körperlich wieder gut. Bereits am Montag sah eine Gutachterin beim nun 13-Jährigen die "Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird". Vorliegend sei eine posttraumatische Belastungsstörung.

Eine ehemalige Lehrerin des Buben sagte im Zeugenstand aus, dass in der Schule - trotz zahlreicher Fehltage - sehr wohl aufgefallen sei, dass das Kind "sehr abgemagert" war. Am 25. Oktober 2022 sei seitens der Schule eine Gefährdungsmeldung versandt worden.

Auf dieser Grundlage kam es am 28. Oktober zu einem Hausbesuch der Kinder- und Jugendhilfe. Eine Verletzung an der Hand des Buben und seltene Schulbesuche seien dabei u.a. erörtert worden, erinnerte sich eine befragte Sozialarbeiterin. Dass das Kind abgemagert war, sei wegen des legeren Gewands nicht ersichtlich gewesen: "Er war schlank, was man aufgrund der Kleidung sehen konnte, war für uns aber nicht besorgniserregend." In den Kühlschrank habe man nicht geschaut, was ein Fehler gewesen sei. Mit dem Zwölfjährigen alleine wurde bei dem Termin auch nicht gesprochen.

Nach einer neuerlichen Gefährdungsmeldung durch ein Landesklinikum im Waldviertel gab es am 18. November einen zweiten unangemeldeten Hausbesuch der Kinder- und Jugendhilfe. Ein Sozialarbeiter ortete dabei laut eigenen Angaben zwar Auffälligkeiten, aber "keine Grundlage für eine Gefahr-im-Verzug-Maßnahme". Eine mehrere Punkte umfassende Niederschrift sei aufgesetzt worden. Aufgetragen wurden darin beispielsweise eine erneute ärztliche Abklärung sowie eine Begutachtung durch eine Psychologin des Landes mit Termin am 30. November. Generell sei es "extrem kalt in der Wohnung" gewesen, konstatierte der Sozialarbeiter. "Es stimmt irgendetwas nicht", war offenbar sein Grundeindruck. Eine Beeinflussung des Buben durch die Mutter sei spürbar gewesen.

"Zwei Frauen haben ein Kind beinahe - Gott sei Dank nur beinahe - zu Tode gequält", hatte die Staatsanwältin beim medial stark beachteten Prozessauftakt am Montag zu dem Fall gesagt. Die 33-jährige Alleinerzieherin soll ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 u.a. geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Zudem soll sie das Kind hungern haben lassen.

Frau wurde 2022 festgenommen

Festgenommen wurde die Frau am 24. November 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Sie und die Kindesmutter waren über Jahre hinweg sozusagen ziemlich beste Freundinnen. Die Waldviertlerin soll der Erstangeklagten darüber hinaus wiederholt Anweisungen zur Bestrafung des Kindes gegeben haben, was von der 40-Jährigen freilich zum Großteil bestritten wurde.

Zugespitzt hat sich die Sachlage dann rund um den 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Die Mutter dürfte den damals Zwölfjährigen bei geöffneten Fenstern mit kaltem Wasser übergossen haben. Die Körpertemperatur des abgemagerten Burschen senkte sich auf 26,8 Grad ab, für das Alarmieren der Rettung sorgte die am Dienstag befragte Sozialarbeiterin. Das Kind wurde in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt.

Weitere Anklagepunkte in Bezug auf die Mutter des Buben sind Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie Freiheitsentziehung. Für die 33-Jährige wurde außerdem seitens der Staatsanwaltschaft Krems so wie für die Zweitangeklagte die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Die Mutter bestritt den Vorwurf des versuchten Mordes, war aber zu den beiden weiteren Punkten geständig. Die Zweitangeklagte bekannte sich schuldig, schränkte diese Verantwortung aber danach bei ihrer Befragung am Montag stark ein.

Die Mutter könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Die Strafdrohung für die 40-Jährige wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt nach einer Ausdehnung der Anklage aufgrund schwerer Dauerfolgen bei dem Buben nun bis zu 15 Jahre. Urteile sind für Donnerstag geplant.

Medial laut wurde in der Causa mehrmals Behördenkritik. Seitens der Kinder- und Jugendhilfe wurde betont, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe nach Bekanntwerden des Falls ergeben habe, dass "alle Vorgaben eingehalten wurden". Vom Land eingerichtet wurde eine sechsköpfige, unabhängige Expertengruppe, die im August 2023 ihre Arbeit aufnahm. Die Tätigkeit sei in der "finalen Phase", hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro der niederösterreichischen Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Ein genauer Zeitpunkt für die Präsentation des Abschlussberichts stand noch nicht fest.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Prozess um Kind in Hundebox: Zeugenaussagen
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen