ÖVP-Wöginger mit "Verantwortungsübernahme" vor Gericht

Dem ÖVP-Klubobmann wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) "Postenschacher" vorgeworfen. Er soll bei dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, für einen Parteifreund interveniert und dafür gesorgt haben, dass dieser Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding wurde. Ebenfalls angeklagt sind zwei Finanzbeamte - der Erstangeklagte war der Leiter der Begutachtungskommission, der Zweitangeklagte Mitglied dieser, Wöginger als Drittangeklagter wird als Bestimmungstäter geführt. Ereignet haben soll sich die mutmaßliche Intervention im Jahr 2017, als Wöginger bereits Abgeordneter im Nationalrat war. Alle drei Angeklagten - für sie gilt die Unschuldsvermutung - bestritten bisher die Vorwürfe.
Wöginger erkannte "Tragweite seines Handelns" nicht
"Das kann der Mag. Schmid so verstanden haben", aber "mein Mandant wusste damals weder wer sich noch beworben hatte" noch wer in der Bestellungskommission sei, erkärte Wögingers Anwalt. "Es war nicht seine Absicht, aber es ist auf sein Handeln zurückzuführen (dass eine besser qualifizierte Bewerberin nicht zum Zug kam, Anm.). Hätte er die Tragweite seines Handelns erkannt, hätte er anders gehandelt."
"Ich sehe die Sache heute mit ganz anderen Augen", sagte Wöginger selbst. "Mit dem heutigen Wissen würde ich das in diese Form nicht mehr tun. Es tut mir wirklich leid. Ich habe das in diese Dimension nicht vorhergesehen, aber ich übernehme die Verantwortung."
"Verbreitetes Phänomen Postenschacher" nicht harmlos
Die Vorwürfe "können mit Postenschacher umschrieben werden", das sei ein "verbreitetes Phänomen", aber alles andere als harmlos, leitete der Oberstaatsanwalt seinen Vortrag ein. Dass es nur wenige Strafverfahren gebe, habe einen Grund: "Dass diese Absprachen im Geheimen getroffen werden." Aber dieser Fall sei ein besonderer: "So viel belastendes Beweismaterial gab es in einem solchen Fall nicht."
Im Zentrum der Causa steht ein ÖAAB-Funktionär und ÖVP-Bürgermeister. Er hatte sich bereits für die Leitung eines anderen Finanzamts beworben. Die Begutachtungskommission wurde damals ebenfalls vom Erstangeklagten geleitet. Der Erstangeklagte, ebenfalls in der ÖVP verankert, "unterstützte die Ambitionen auch aufgrund der Parteizugehörigkeit", so der Anklagevertreter. Weil ein anderes Mitglied der Kommission aber "gesetzeskonform" für die stärkere Berücksichtigung der Berufserfahrung pochte, kam er nicht zum Zug.
Wöginger soll Schmid um Hilfe gebeten haben
Der Bürgermeister bewarb sich danach für die Leitung des Finanzamts Braunau. Er habe sich an Wöginger gewandt und um Unterstützung gebeten. "Es ging um die Unterstützung eines Parteifreunds" bei einem großen Karrieresprung. Wöginger habe sich damit an Thomas Schmid, Generalsekretär im Finanzministerium, gewandt und dieser an den Zweitangeklagten - einen ebenfalls im ÖVP-Umfeld verankerten Finanzbeamten und auch Mitglied beider Begutachtungskommissionen. "Allen war klar, dass dieser Personalwunsch auch parteipolitisch motiviert war." Der Zweitangeklagte habe zugesagt, den Bürgermeister zu unterstützen.
"Die Besetzung der Begutachtungskommission war entscheidend." Daher habe man die Personalverantwortliche der Region Mitte, die in der Kommission für das Finanzamt Freistadt den Bürgermeister verhindert hatte - obwohl sie bereits in die Kommission berufen worden war - noch ausgetauscht. "Warum das geändert wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich".
Besser qualifizierte interimistische Leiterin kam nicht zum Zug
Ebenfalls beworben hatte sich die interimistische Leiterin des Finanzamts Braunau, die im Gegensatz zum Bürgermeister Führungserfahrung und Weiterbildungen vorweisen konnte und mehrere Belobigungen erhalten habe. Sie sei vom Erstangeklagten provokant befragt worden, obwohl sie einen klaren Vorsprung bezüglich ihrer Qualifikationen gehabt habe. Der Bürgermeister hingegen "hatte seit seiner Grundausbildung in keinem Finanzamt mehr gearbeitet".
Die Mitbewerberin kam nicht zum Zug, dafür der Bürgermeister. Die Frau wandte sich an die Gleichbehandlungskommission und bekam recht. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ihr eine Entschädigung wegen Diskriminierung zu. Sie erstattete Anzeige gegen die beiden Kommissionsmitglieder - die Rolle von Wöginger und Schmid "kannte sie damals nicht".
Schmid-Chats im Fokus
Die WKStA stützt sich u.a. auch auf Chats von Thomas Schmid. Dieser hatte Kontakt mit dem Zweitangeklagten. Noch am Tag der entscheidenden Sitzung der Begutachtungskommission im Februar 2017 schrieb dieser dem damaligen Generalsekretär "Hi! mit bauchweh- aber:" und ergänzte ein Daumen-hoch-Emoji. Schmid antwortete: "Mein Held!" Unmittelbar danach schrieb er an Wöginger: "Wir haben es geschafft :-)). Der Bürgermeister schuldet dir was!" Wöginger war daraufhin "total happy". Schmid informierte auch seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die "Intervention von Wöginger" erfolgreich war.
Nach der Ankündigung der Verantwortungsübernahme wurde die Verhandlung auf Antrag der WKStA für eine Stunde unterbrochen.
(APA)