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Prozess gegen mutmaßlichen Wiener Rotlichtboss: Heftige Kritik an Anklage und Polizei

Richard St. und weitere Mitangeklagte sehen sich mit erheblichen Vorwürfen konfrontiert.
Richard St. und weitere Mitangeklagte sehen sich mit erheblichen Vorwürfen konfrontiert. ©APA
Am Montag früh ist im Wiener Landesgericht der Schöffenprozess gegen den mutmaßlichen Rotlichtboss Richard St. und fünf Mitangeklagte eröffnet worden. Die Anklagepunkte: Sie sollen eine kriminelle Vereinigung gebildet haben, mit dem Ziel, finanziellen Einfluss auf Rotlicht- und andere Lokale der Szene am Wiener Gürtel auszuüben. Dazu kommen laut Anklage schwere Nötigung, absichtliche schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung.
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Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella zählte die Anklagepunkte auf: Dass Richard St. und die anderen Beschuldigten mit abgesondert Verfolgten eine kriminelle Vereinigung gebildet hätten, und dies mit dem Ziel, erheblichen finanziellen Einfluss auf Rotlicht- und andere Lokale der Szene am Wiener Gürtel auszuüben.

Dazu kämen schwere Nötigung, absichtliche schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung. Betrieben seien teilweise auch Gelder entzogen und selbst verbraucht worden.

Beschuldigte kritisieren Anklage und Polizei

Kerbl-Cortella erklärte den Schöffen, wie die Anklage eröffnet wurde: Einerseits basiere sie auf “Aussagen von Zeugen, die samt und sonders aus dem Druck des Milieus nur sehr zögerlich ausgesagt haben”. Dazu habe es Telefonüberwachungen und einen Großen Lauschangriff  “im Büro des Pour Platin (Rotlichtlokal am Gürtel, Anm.) gegeben, der Zentrale, in der die Geschäftsangelegenheiten der Firma abgewickelt wurden”, so die Anklagevertreterin.

Richard St.’s Verteidiger Christian Werner, der auch den hünenhaften Zweitangeklagten Peter A. sowie den Viertangeklagten Dusko R. vertritt, übte heftige Kritik an der Anklage und an der Polizei: Begonnen habe das Verfahren im Jahr 2008, als ein Zeuge zur Polizei in OÖ gekommen sei und Informationen über die Wiener Rotlichtszene angeboten habe. Er rede aber nur, wenn ihm sein Schaden von 250.000 Euro ersetzt würden, schilderte Werner das Verhalten des Zeugen. Das habe ein Verfahren mit immensem Aufwand ausgelöst, mit Telefonüberwachungen, einem Großen Lauschangriff und Observationen.

Am 4. April 2010 seien die Verhaftungen erfolgt, und dann sei weiterermittelt worden. Mit speziellen Methoden: Peter A. sei verprügelt worden, der achtjährige Sohn eines anderen Mitangeklagten mit einer Pistole einvernommen worden, die Ermittler seien mit Gewalt in Lokale eingedrungen, obwohl man ihnen die Schlüssel für die Lokale angeboten habe. “Es ist schon ein eigenes Programm gefahren worden”, sagte Werner. “Polizeiarbeit wird normal anders geführt.”

Richard St. “als Monstrum dargestellt”

Es habe die Vorgabe des Bundeskriminalamtes gegeben, “Richard St. als gewaltbereites Monstrum darzustellen”, so der Anwalt. Er zerpflückte auch die einzelnen Punkte: Der Vorwurf einer kriminellen Organisation bedinge nach gängiger Rechtsprechung die Beteiligung von mindestens zehn Personen. “Sechs sitzen da.” Werner stieß sich auch an der Formulierung in der Anklageschrift, dass die Organisation während “noch festzustellender Zeiträume” aktiv gewesen sei. “Warum war es nicht möglich, in vier Jahren Ermittlung festzustellen, wann die kriminelle Organisation aktiv war? Und für mich schließt sich die Frage an: Ob?” Der Vorwurf stehe auf “wackligen Beinen”.

Auch Herbert Wabnegg, Verteidiger des Fünftangeklagten Christian R., übte heftige Kritik: “Mein Mandant sitzt nur hier wegen seiner Bekanntschaft mit dem Herrn St.. Ich muss sagen, dieser Prozess dient nur als Rechtfertigung für den Aufwand, der hier getrieben wurde.”

Anwalt Robert Lattermann, Verteidiger des Letztangeklagten Andreas B., sagte zum Vorwurf der kriminellen Organisation, sein Mandant habe Richard St. erst in der Untersuchungshaft kennengelernt. Einer der Vorwürfe gegen ihn betrifft die Erpressung des – offiziellen – Betreibers des Rotlichtlokals Flamingobar am Gürtel. “Die ganze Gürtelpartie weiß, dass Andreas B. die Flamingobar ist. Wie will man sich selbst erpressen?”

Der Vorsitzende Stefan Erdei hat die Verhandlung bis Mitte August anberaumt.

(APA)

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