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Prozess gegen Chefinspektor der Wiener Polizei eröffnet

Im Wiener Straflandesgericht ist am Montag der Prozess gegen einen ranghohen, seit März 2007 vom Dienst suspendierten Wiener Kriminalbeamten eröffnet worden.
Prozessauftakt: Wiener Chefinspektor vor Gericht

Der 53-jährige Chefinspektor sei “mit der Unterwelt verhabert und mit Schutzgelderpressern aufs Engste verbunden”, stellte Staatsanwalt Wolfgang Wohlmuth in seinem fast dreistündigen Eröffnungsplädoyer fest. Für den Ankläger stand außer Zweifel, dass sich der Beamte schwerster Verfehlungen schuldig gemacht hat: “Mir geht’s darum, einem Kriminellen das Handwerk zu legen.”

“Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen”, hielt dem der Chefinspektor entgegen. Er sei in sämtlichen Anklagepunkten “nicht schuldig”, das seinerzeitige Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) habe “komplett einseitig ermittelt, das zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Verfahren.” Verteidiger Andreas Duensing bezeichnete seinen Mandanten als Opfer einer Intrige. Das Verfahren sei nachweislich von Personen in Gang gebracht worden, die dem Chefinspektor und seinem Umfeld schaden zufügen wollten.

Der Beamte soll laut Anklage mit Wiener Unterwelt-Größen wie Dragan Jovanovic alias Repic (der “Zopf”) auf Du-und-Du gewesen sein und sich zumindest nach Ansicht der Anklagebehörde zu deren Gunsten strafbar gemacht haben soll. Der Staatsanwalt ortete ein “erschreckendes Netzwerk des Angeklagten”, der Repic “zu jeder Tages- und Nachtzeit mit seinem polizeilichen Wissen zur Verfügung gestanden ist”. Er legte dem 53-Jährigen Amtsmissbrauch in neun Fällen, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Nötigung unter Ausnützung seiner Amtsstellung, falsche Zeugenaussage, Bestimmung zur Falschaussage und Betrug und zur Last.

Der Chefinspektor war 2007 erstmals in die Schlagzeilen geraten, als ruchbar wurde, dass er in Feierlaune auf dem pompösen Hochzeitsfest des ihm angeblich freundschaftlich eng verbundenen Repic in Erscheinung trat. Dieser galt bereits damals als Anführer einer Schutzgeld-Truppe, die in der Wiener Unterwelt Schrecken verbreitet und in großem Stil abkassiert haben soll. Der Spitzenpolizist wurde daraufhin vom Dienst suspendiert.

Der Angeklagte bestritt, zu Repic oder dessen “Mann fürs Grobe”, Dusan R. alias Rocky, jemals ein privates Naheverhältnis unterhalten zu haben. Beides seien Informanten gewesen, denen er “schöne Erfolge” als Kriminalist verdanke, “aber ich habe mit allen meinen Kontakten nie privaten Umgang gehabt. Ich war mit keinem auf Urlaub, mit keinem privat trinken”. Repic bezeichnete der 53-Jährige als “einen der besten Informanten, die die Wiener Polizei je gehabt hat”. Er habe dessen ungeachtet für diesen “niemals interveniert”.

Laut Anklage soll der 53-Jährige Repics Nachtlokal “No Name” vom September 2003 bis zum September 2005 durch zahlreiche Vorsprachen bei mehreren Kommissariaten vor lästigen Polizeieinsätzen wegen Lärmbelästigungen, sonstiger Verwaltungsübertretungen oder fremdenpolizeilicher Übertretungen bewahrt haben. Das “No Name” landete schließlich auch auf einer sogenannten Sperrliste, derzufolge es polizeiintern Uniformierten überhaupt untersagt war, dort in Erscheinung zu treten. In diesem Zusammenhang ist nach wie vor ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Vorgesetzten des Chefinspektors, Oberst Roland Frühwirth, anhängig.

Ein besonders gravierender Anklagepunkt bezieht sich auf eine Schießerei im Cafe “Cappuccino” in Wien-Hernals, bei der am 30. Mai 2006 ein Lokalbesucher getötet und ein weiterer schwer verletzt wurde. Der Chefinspektor soll der Anklage zufolge einseitig ermittelt und dazu beigetragen haben, dass ein Mann als mutmaßlicher Mörder vor Geschworene gestellt wurde, gegen den die Staatsanwaltschaft dann im Gerichtssaal mangels Indizien die Anklage fallen lassen musste: Keiner der von der Polizei präsentierten Belastungszeugen erkannte vor Gericht im Angeklagten den Schützen wieder.

Auf der anderen Seite stellte sich heraus, dass zum Zeitpunkt der Schießerei im “Cappuccino” mit Munir F. (42) eine Gürtel-Größe anwesend war, über die der Chefermittler womöglich seine “schützenden Hände” hielt. Als ein Zeuge nämlich zur Polizei ging, um eine Aussage über die Hintergründe der Bluttat zu machen, die Munir F. in Verlegenheit hätte bringen können, soll der Chefinspektor die Niederschrift zerrissen haben. Eine andere Zeugin wiederum soll der Beamte beeinflusst und eingeschüchtert haben bzw. einschüchtern haben lassen. Für Staatsanwalt Wolfgang Wohlmuth ein unfassbares Verhalten. In einem Rechtsstaat sei es untragbar, “dass ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt”.

Daneben dürfte der 53-Jährige auch als Privatmann das Strafgesetzbuch insofern nicht ganz ernst genommen haben, als er in einem Lokal von seiner Lebensgefährtin besorgte gefälschte Textilien als Markenware der Firmen “Gucci” und “Louis Vuitton” verkauft haben soll. “Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen”, meinte der Staatsanwalt, demzufolge sich der ranghohe Kriminalist gleichsam nebenbei auch noch als Geldverleiher und Schmuckhändler verdingt haben soll.

Die Einvernahme des Angeklagten wird am Dienstag fortgesetzt.

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