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Prozess gegen Bruder des verstorbenen Kampusch-Ermittlers in Graz

Die angeblichen Ermittlungspannen im Fall Kampusch werden - zumindest indirekt - am 2. Februar am Grazer Straflandesgericht zur Sprache kommen.
Der Bruder des durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Soko-Chefermittlers muss sich u.a. wegen schweren Diebstahls und Urkundenunterdrückung verantworten. Ihm wird vorgeworfen, dass er den Laptop mit Datenmaterial der Kampusch-Ermittlungen sowie Wertgegenstände und Dokumente aus dem Safe seines Bruders unrechtmäßig an sich gebracht hat.

Der 56-jährige Grazer hatte laut Anklage Computer, Datenträger und Urkunden nach dem Tod seines Bruders an sich genommen, den Laptop später wieder zurückgegeben. Außerdem ist er wegen Vollstreckungsvereitelung angeklagt – als ehemaliger Inhaber eines Gartengestaltungsunternehmens soll er in einem Exekutionsverfahren gepfändete Lkw unterdrückt bzw. verschwiegen haben.

Brisant ist der Prozess vor allem im Hinblick auf die Rolle des 56-Jährigen im Zusammenhang mit medial kolportierten Zweifeln am Selbstmord seines 58-jährigen Bruders. Der Beschuldigte ist von der Mehrtäter-Theorie im Fall Kampusch überzeugt und vermutet, dass sein Bruder in seinen Ermittlungen möglichen Komplizen von Wolfgang Priklopil zu gefährlich geworden sein könnte. Nahrung erhielt diese Theorie nicht zuletzt durch Aussagen von Abgeordneten im Parlament, wo im ständigen Unterausschuss des Innenausschusses der Frage nachgegangen werden soll, ob sich die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft in diesem Fall richtig verhalten haben.

Der in der Causa des Ermittler-Todes ebenfalls unter Beschuss geratene Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, Thomas Mühlbacher – gegen ihn läuft nach Aussagen des pensionierten OGH-Präsidenten Johann Rzeszut ein Verfahren in Innsbruck wegen der angeblichen Manipulation von Zeugen – hält hingegen die Untersuchungen zum Selbstmord für “wasserdicht”: Die Kriminalisten seien schon deshalb besonders sorgfältig vorgegangen, weil es sich beim Toten um einen ehemaligen Kollegen handelte, und hätten mit zwei Methoden die Schusshandbestimmung und Spurenanalyse durchgeführt. Von Ermittlungspannen, von denen der “Kurier” in seiner Mittwochausgabe schreibt, könne keine Rede sein.

Aus dem Abschiedsbrief seien gesundheitliche Motive erkennbar sowie solche, die im Arbeitsumfeld zu suchen seien, aber nichts mit dem Fall Kampusch zu tun haben. Dass der Ermittler sich durch die Anklagebehörde unter Druck gesetzt sah, schließt Mühlbacher aus: Nach Abschluss der Arbeit habe dieser sich bei ihm für die gute Zusammenarbeit bedankt.

“Falls er wirklich Beweismaterial anbieten könnte, würden wir dem natürlich sofort nachgehen. Bisher hat er den Zeugenladungen aber nicht Folge geleistet”, wirft der Oberstaatsanwalt dem nun angeklagten Bruder vor, gar nicht an einer sachliche Aufklärung der Umstände interessiert zu sein. Die Anschuldigungen gegen ihn selbst sieht Mühlbacher gelassen: “Da meldet sich jemand zu Wort, der die Akten nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Ein Strafverfahren ist kein Gesellschaftsspiel, bei dem die abenteuerlichste Geschichte prämiert wird.” Dass jemand früher einmal Präsident des Obersten Gerichtshofes gewesen ist, sei kein Beweismittel, sondern sollte eigentlich eine Verpflichtung sein, so Mühlbacher.

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