AA

Projekttheater Vorarlberg nimmt schizophrene Künstler in den Fokus

Uraufführung von "Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne" im Alten Hallenbad in Feldkirch.
Uraufführung von "Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne" im Alten Hallenbad in Feldkirch. ©Projekttheater Vorarlberg/ Nikolaus Walter
Feldkirch - Das Projekttheater Vorarlberg hat sich mit "Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne" eines anspruchsvollen Stoffs angenommen.

Das Stück von Philipp Weiss unter der Regie von Susanne Lietzow widmet sich zwei Künstlern, die lange Jahre in der Psychiatrie verbrachten. Die Uraufführung fand am Donnerstag im Alten Hallenbad in Feldkirch statt, 2014 ist das Stück im Schauspielhaus Wien zu sehen.

Zwei Lebensgeschichten, ein Werk

Ist es die Geschichte zweier Geisteskranker oder die Geschichte zweier genialer Künstler? Das biografische Stück widmet sich dem Leben und Schaffen zweier realer Personen: Ernst Herbeck (1920 – 1991), aus dessen Werk auch der Stücktitel stammt, und August Walla (1936 – 2001). Beide waren als schizophrene Patienten Jahrzehnte ihres Lebens in der Nervenheilanstalt Gugging bei Wien, beide avancierten danach zu renommierten Künstlern. Herbeck als Dichter und Walla als einer der bedeutendsten Repräsentanten der internationalen Art Brut.

Geschichte in fünf chronologischen Bildern

Die Geschichte der beiden wird erzählt in fünf chronologischen Bildern: “Vernichtung”, “Verwahrung”, “Verwandlung”, “Verklärung” und “Vermarktung”. In den ersten beiden Bildern schweigen die Protagonisten auf der Bühne, körperlich sehr präsent und konzentriert gespielt von Peter Badstübner und Dietmar Nigsch. Klinikpersonal, Eltern und Vormundschaftsgericht werden über Videoeinwände eingespielt. Sie beschreiben ihre Sicht der Dinge – die “Täter” werden damit selbst zu beobachteten Objekten.

Das Grauen liegt in der Selbstverständlichkeit, mit der sie von Entmündigung, Kindheitstrauma, Elektroschocktherapien und der Aufbewahrung von menschlichen Präparaten sprechen. Das alles sei bis in die 1980er-Jahre noch ein Gewinn für die Forschung gewesen, heißt es. Hinzu kommt die eigenartige Fratzenhaftigkeit der Figuren, etwa der angeblich freundliche Doktor und das Personal, das das Wegschauen als alltägliche Praxis betreibt. Die Berichte erfolgen teilweise wie das emotionslose Herunterlesen von Protokollen – die Distanz wird verstärkt, indem Texte und Bild nicht synchron laufen. Verantwortlich dafür zeichnen Petra Zöpnek (Video) und Gilbert Handler (Videoton).

Premiere in Feldkirch erntet tosenden Applaus

In den weiteren drei Bildern kommen die Darsteller auf der Bühne zu Wort. Verstörend, irritierend, auch provozierend, bisweilen verrückt und unverständlich sind die Dinge, die sie sagen und tun. Regisseurin Susanne Lietzow versteht es, Figuren zu kreieren, die ihre Welt verständlicher machen. Die Patienten wandeln sich zu anerkannten Künstlern, aber ihre Wahrnehmung der Umwelt ist durch die vielen Jahre in der Anstalt kaputt. Ist es Wiedergutmachung, wenn am Ende die beiden Ehrung durch Kultur und Politik erfahren? Die Vermarktung ihrer Kunst geht einher mit der Vermarktung ihrer Lebensgeschichte. Wem gilt am Ende tatsächlich der Applaus – der Kunst oder nach wie vor den Opfern eines faschistischen Regimes? Das Publikum ist sehr gefordert, darauf eine Antwort zu finden. Mit Applaus hat es bei der Premiere nicht gespart.

Klinik-Atmosphäre im Alten Hallenbad

Das Alte Hallenbad Feldkirch macht es Susanne Lietzow leicht, eine Klinik-Atmosphäre zu schaffen. Die vorhandenen Fliesen an den Wänden wirken entsprechend steril und machen Geschichten über das Untertauchen der Patienten in kaltes Wasser als Erziehungsmaßnahme noch etwas glaubwürdiger. Man wird sehen, was das Schauspielhaus Wien – dort gibt es im März 2014 ein Gastspiel des Projekttheaters – Entsprechendes bieten kann.

Projekttheater Vorarlberg
“Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne”
von Philipp Weiss mit Texten von Ernst Herbeck und August Walla

Weitere Spieltermine: 13., 14., 15., 16., 17. Dezember 2013, jeweils 20.00 Uhr
Veranstaltungsort: Altes Hallenbad, Reichenfeldgasse 10, Feldkirch
[googlemaps]
Kartenreservierungen: +43 699 10 61 62 51
Wien-Gastspiel: 31. März bis 2. April 2014, Schauspielhaus Wien
Weitere Informationen
auf projekttheater.at

(APA/red)

  • VIENNA.AT
  • Projekttheater Vorarlberg nimmt schizophrene Künstler in den Fokus
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen