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Pressestimmen zur NATO-Krise

Die durch die Irak-Krise hervorgerufene NATO-Zerreißprobe steht am Dienstag im Zentrum zahlreicher europäischer Pressekommentare.


„Le Figaro“ (Paris):

„Die geforderte NATO-Militärhilfe für die Türkei ist ein offensichtlicher Befehl an die Alliierten, um ihnen die Entscheidungen nach den Kriegsplänen des Pentagon aufzuzwingen. Washington und London müssen sich der Dürftigkeit ihrer Argumente bewusst sein, um sich so ungeschickt anzustellen. Klar, dass da Herr (US-Verteidigungsminister Donald) Rumsfeld ungeduldig wird, wenn die Europäer sich nicht wie Vasallen verhalten. Allerdings sollten die USA darauf achten, dass die Diskussion der Alliierten untereinander nicht zur Posse ausartet…“

„The Sun“ (London):

„Die Schlangen Frankreich, Deutschland und Belgien spielen ein verräterisches Spiel. Indem sie einen Keil zwischen Europa und Amerika treiben, bringen sie (den britischen Premierminister) Tony Blair in die schwierigste Situation seiner fast sechs Amtsjahre. Er sieht sich selbst als Brücke über den Atlantik. Aber seine so genannten Freunde in Europa zerstören die Grundlagen dafür. Jacques Chirac, Gerhard Schröder und der Grashüpfer Belgien bringen die Zukunft der NATO und der EU in Gefahr. Was für ein schäbiger Haufen sie doch sind!“

„Die Welt“ (Berlin):

„Die derzeitige (deutsche) Bundesregierung unter Gerhard Schröder hat das über Jahrzehnte Geschaffene binnen weniger Monate zerstört. Die NATO steht vor einer Zerreißprobe, und die Beziehungen zu Amerika sind auf dem Nullpunkt. Auch wenn er jetzt Einigkeit demonstriert, hat Schröder die Beziehung zu Frankreich schon in seiner ersten Legislaturperiode schwer beschädigt. Damit bleibt das Verhältnis zu diesem wichtigen Partner letztlich unklar. Deutschland gilt in der ganzen Welt wieder als unberechenbar.“

„Financial Times Deutschland“ (FTD) (Hamburg):

„Das deutsche Veto gegen die Einleitung von NATO-Hilfen für die Türkei ist ebenso scheinheilig wie naiv. Die Tatsache, dass noch keine Bomben gefallen sind, kann für das Bündnis im Ernst nicht heißen, dass jede Entscheidung verfrüht ist. Die Krise im Nahen Osten schwelt, sie kann jederzeit zum Flächenbrand werden. Und wer rechtzeitig Schutzmaßnahmen einleitet, der legt sich damit keineswegs schon auf einen Krieg fest. (…) Was nach dem Veto bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich die Partner im Krisenfall nicht mehr darauf verlassen können, dass Deutschland rechtzeitig hilft.“

„La Repubblica“ (Rom):

„Die NATO ist durch das deutsch-französische Veto gespalten, das erstmals seit 50 Jahren eine konkrete Anfrage der USA blockiert und die Allianz damit in eine wahrscheinlich unwiderrufliche ’Glaubwürdigkeitskrise’ stürzt. (…) Noch bevor es zu irgendeiner Entscheidung über das weitere Vorgehen kommt, verändert die Irak-Krise bereits radikal die bisherige Ordnung der internationalen Politik: Der Atlantik ist größer geworden. Europa ist gespalten. Die NATO durchlebt die schwierigste Zeit seit ihrem Bestehen: Eine Abrechnung, die zum Zeichen ihres endgültigen Untergangs werden könnte.“

„Information“ (Kopenhagen):

„Ein sicheres Signal für einen bevorstehenden Krieg besteht normalerweise in der Verkümmerung der Sprache zu gegenseitiger Beschimpfung. Dialoge werden kurzgeschlossen und durch Zornesausbrüche ersetzt. Nun befinden sich die USA wohl nicht auf dem Weg zum Krieg gegen Frankreich und Deutschland oder umgekehrt. Aber der Ton zwischen den Partnern in den letzten Tagen deutet darauf hin, dass alle einander den Rücken zuwenden und die Welt sich deshalb auf einen amerikanisch-britischen Krieg gegen den Irak von Saddam Hussein ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates und damit auf das schlimmste aller Szenarien zubewegt. Die USA haben den Einsatz erhöht und benützen den NATO-Zusammenhalt als Herausforderung und Instrument, um Deutschland und Frankreich den Arm umzudrehen. (…) Auf dem Spiel steht nicht nur eine unbekannte Anzahl von Menschenleben im Irak, wenn ein Krieg begonnen wird. Auf dem Spiel steht auch eine Weltordnung.“

„Kommersant“ (Moskau):

„Die Verbündeten sind zur Attacke übergegangen: Die NATO steht vor der schwersten Krise ihrer Geschichte. Frankreich, Belgien und Deutschland blockieren militärische Hilfe für die Türkei. Das wahre Ziel der ’Spalter’ waren natürlich nicht die Türken, sondern die Amerikaner. Die Welt teilt sich in zwei Lager auf: Auf der einen Seite sammeln sich jene Staaten um die USA, die deren Kampf gegen den internationalen Terroristen unterstützen. Auf der anderen Seite stehen die ’Verbrecherregime’ und deren freiwillige oder unfreiwillige Helfer. Noch ist die Zusammensetzung der beiden Lager nicht abgeschlossen. Doch die Tendenzen sind unübersehbar.“

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