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Premiere von "Mutter Courage": Schlachtfeld im Wiener Burgtheater

"Mutter Courage" im Wiener Burgtheater.
"Mutter Courage" im Wiener Burgtheater. ©APA
Bertolt Brechts im Dreißigjährigen Krieg spielendes Stück "Mutter Courage und ihre Kinder" hat quasi immer Saison, denn stets gibt es irgendwen, der glaubt, mit Krieg ließe sich etwas gewinnen. Dennoch zeigt gerade die Burgtheater-Produktion, dass es sehr gute neue Gründe braucht, um diesen Klassiker des 20. Jahrhunderts erneut aus der Schublade zu holen.
Bilder der Premiere

Der junge Regisseur David Bösch hat manches gute Argument zur Hand – und überzeugt dennoch nicht restlos.

Puristische Kargheit ist Böschs Sache nicht. Mit Verstärkeranlage, leuchtenden Glühlampen-Ketten, einer Drehbühne und einer pittoresken fünfköpfigen Soldatenband unter Führung von Bernhard Moshammer, der die superbe Bühnenmusik von Paul Dessau eingerichtet hat, wähnt man sich mitunter fast im Musical.

Mutter Courage trifft auf Vivienne Westwood

Da passt es, dass die Marketenderin Anna Fierling alias “Mutter Courage” von Ausstatter Patrick Bannwart mit pechschwarzen Haaren, schwarzem Rüschenrock samt Spitzenleibchen sowie diversen klimpernden Gürteln justiert wurde, als hätte sich Vivienne Westwood für die späte Madonna zwischen Gothic und Punk nicht so recht entscheiden können.

Gezeichnete Projektionen in Zwischenszenen zitieren eine starke Ästhetik zwischen Kinder-Albtraum und düsteren Comics. Auch der unvermeidliche Planwagen und die vielen Kreuze (“Es ist ein Glaubenskrieg!”, wird immer wieder betont), mit denen die karge Bühnenlandschaft, über der zahlreiche Kirchenglocken schweben, allmählich in ein Gräberfeld verwandelt wird, verweisen mehr auf Kunst und Theater als auf Welt und Wirklichkeit. Das ist die längste Zeit interessant anzusehen, mehr aber auch nicht.

Maria Happel auf der Bühne

Maria Happel, die in dieser Rolle in die großen Fußstapfen einer Helene Weigel und einer Therese Giehse zu treten hat, braucht in dieser zweistündigen, pausenlosen Aufführung einige Zeit, um ihre Interpretation zu finden. Ihre “Hyäne des Schlachtfelds” ist ein liebendes Muttertier.

Ihre “Courage” ist wesentlich weicher und herzlicher, und dadurch auch sichtbar mitleidender als die herben, harten Rollenvorbilder. Die Empathie stellt sich daher nicht über den Umweg der allgemeinen Erschütterung, was der Krieg aus Menschen zu machen imstande ist, ein, sondern direkt aus dem Mitleiden mit einer Mutter, die ihre Kinder verliert bzw. zu verlieren droht.

Starke Figuren, authentisch gespielt

André Meyer hat als muskulöses Riesenbaby Eilif, das keine Chance hat, dem Moloch Krieg dauerhaft zu entkommen, ganz starke Momente. Wenn Tino Hillebrand als schmächtiger Schweizerkas verschleppt wird, um die Geheimnisse der versteckten Regimentskasse preiszugeben, und sich seine Mutter beim Verhandeln um seinen Freikauf tödlich verspekuliert, wird es ganz still im Saal. Sarah Viktoria Frick entwickelt ihre stumme Kattrin unauffällig, doch nachhaltig zur Leidensfigur.

Tilo Nest als Koch und Hermann Scheidleder als Feldhauptmann sind ebenso wie Dirk Nocker als Feldwebel prägnante Nebenfiguren, Falk Rockstroh versucht sich als lavierender, sich ständig verbiegender Feldprediger mitunter auf die komödiantische Seite zu retten – wo Regina Fritsch als Yvette mit roter Perücke und roten Schuhen schon lange auf ihn wartet. Ihre in grelle Tragikomik getriebene Figur fällt ein wenig aus dem Rahmen.

Am Ende weiß man nicht, ob man den Krieg oder den Frieden mehr fürchten soll. Die “Courage” sinkt zwar manchmal, doch geschlagen gibt sie sich nicht. Und am Ende erklingt doch verdienter Applaus.

(APA)

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