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Premier Berlusconi ohne Mehrheit - Italien unter IWF-Kuratel

Italiens Reform- und Sparprogramm wird unter Aufsicht gestellt.
Italiens Reform- und Sparprogramm wird unter Aufsicht gestellt. ©AP
Der unter immer stärkerem Druck stehende italienische Premier Silvio Berlusconi hat eine weitere Blamage hinnehmen müssen.

Unter dem Druck der akuten Schuldenkrise musste Berlusconi beim G-20-Gipfel in Cannes einwilligen, sein Reform- und Sparprogramm auch vom IWF bewerten zu lassen. Damit solle Vertrauen an den Märkten geschaffen und die Finanzierung der Schuldenlast erleichtert werden, berichtete der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso am Freitag bei einer Pressekonferenz in Cannes. Bisher hatte nur die EU-Kommission den Auftrag, die italienischen Reformschritte zu überwachen.

Die Regierung in Rom bestritt am Freitag, dass sie unter IWF-Kuratel gestellt werde. “Die Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen darf nicht als Überwachung betrachtet werden”, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, der Berlusconi-Vertrauensmann Antonio Tajani.

Nicht nur die Schuldenkrise setzt Berlusconi unter Druck. Auch seine bröckelnde Koalition und eine heikle Vertrauensabstimmung kommende Woche bedrohen das politische Überleben des 75-jährigen Medientycoons. Der Premier muss um seine Mehrheit bangen. Nachdem fünf Parlamentarier seine Mitte-Rechts-Partei “Volk der Freiheit” (PdL – Popolo della libertà) den Rücken gekehrt haben, hat Berlusconi de facto keine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer mehr.

Eine entscheidende Hürde muss der Premier am kommenden Dienstag bewältigen. Geplant ist in der Abgeordnetenkammer eine heikle Abstimmung über das Budget. Bei einer ähnlichen Abstimmung im Oktober hatte die Regierung eine schwere Niederlage erlitten. Nächste Woche unterzieht sich der Medienzar außerdem im Senat einer Vertrauensabstimmung über das Stabilitätsgesetz zur Eindämmung der Verschuldung. Zwar verfügt der Premier im Senat über eine solidere Mehrheit als in der Abgeordnetenkammer. Dem gebeutelten Berlusconi droht jedoch das Aus, sollten ihm weitere Parlamentarier aus seiner Partei den Rücken kehren.

Innenminister Roberto Maroni, Nummer Zwei der mit Berlusconi verbündeten Regierungspartei Lega Nord, warnte, dass es zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen würde, sollte Berlusconi stürzen. Eine Allparteienregierung, wie sie die Opposition verlangt, schloss Maroni aus. In Rom wird auch über ein Expertenkabinett unter der Führung des ehemaligen EU-Währungskommissars Mario Monti als vorübergehender Ausweg aus der Krise spekuliert.

Die Opposition verstärkt unterdessen ihre Anstrengungen, den Premier aus dem Amt zu drängen. Die beiden stärksten Oppositionsparteien im Parlament – “Demokratische Partei” (PD) und “Italien der Werte” (IdV) – wollen gegen Berlusconi einen Misstrauensantrag im Parlament einbringen. Unterschriften werden im Parlament gesammelt, um das Dokument mit dem Antrag einzureichen. Die Opposition rechnet auch mit der Unterstützung der fünf Parlamentarier, die sich von Berlusconis Partei abgewandt haben.

Die Opposition ruft die Italiener zur massiven Beteiligung an einer am morgigen Samstag in der italienischen Hauptstadt geplanten Großkundgebung gegen das Kabinett in Rom auf. “Fest für die Demokratie” heißt die von der Demokratischen Partei organisierte Demonstration, an der laut den Organisatoren hunderttausende Menschen teilnehmen sollen.

14 Sonderzüge, zwei Schiffe und über 700 Busse werden Demonstranten aus ganz Italien zur Protestkundgebung in Rom bringen. Die Kundgebung auf dem Platz vor der Lateranbasilika wird am Samstagnachmittag von Italiens Oppositionschef Pierluigi Bersani angeführt. Erwartet werden auch der sozialistische Herausforderer von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Francois Hollande, und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Demonstration wird live im Fernsehen übertragen. “Unser Ziel ist, all jene Italiener zu vereinen, denen die Zukunft des Landes am Herzen liegt und die gemeinsam am demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Neubeginn Italiens mitwirken wollen”, betonte Oppositionschef Pierluigi Bersani. (APA)

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