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Präsident der Abgeordnetenkammer

Castro-Fan und Dandy: Fausto Bertinotti, einer der letzten orthodoxen Kommunisten in Italien, ist am Samstag zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer aufgerückt.

Die Kandidatur des Chefs der Rifondazione comunista (PRC), dessen Gruppierung für die Stabilität der neuen Mitte-Links-Regierung von entscheidender Bedeutung ist, war mit Eifer von Wahlsieger Romano Prodi unterstützt worden.

Unberechenbarkeit und strategisches Geschick sind die Eigenschaften des im feurigen Sternzeichen Widder geborenen Bertinotti. Er selbst bezeichnet sich gern als „Revolutionär“, gibt aber bei Auftritten oftmals den Anschein eines nach britischem Stil gekleideten Dandys. Der 1940 als Sohn eines Anarcho-Sozialisten geborene Mailänder fing mit 24 Jahren als Textil-Gewerkschaftler an und trat dann in die „Sozialistische Partei“ ein. In den 70-er Jahren wandte er sich mit glühendem Eifer den Kommunisten zu, und als diese im Februar 1991 die Umwandlung von der PCI (Partito Comunista Italiano) in die Linksdemokraten starteten, wollte Bertinotti mit seinem alten Parteigenossen Armando Cossutta den Idealen von Karl Marx und Rosa Luxemburg treu bleiben. Er setzte so auf die „Neugründung“ der Kommunistischen Partei, was seiner Bewegung, die er von Anfang an führte, ihren Namen gab.

Auf der Suche nach Verbündeten im Kampf gegen den „wilden Kapitalismus“ der 90er Jahre besuchte er den kubanischen Staatschef Fidel Castro und den mexikanischen Guerillaführer Subcomandante Marcos. 1996 schloss er sich mit Begeisterung dem politischen Projekt Prodis an, der an der Spitze einer heterogenen Allianz laizistischer und katholischer Parteien Berlusconis Rückkehr an die Regierung verhindern wollte. Bertinotti erwies sich für Prodis Wahlerfolg als entscheidend. Erstmals kamen die Kommunisten in Italien an die Regierung.

Das Zusammenleben zwischen Bertinotti und den anderen Parteien des Bündnisses erwies sich jedoch als kompliziert. Vehement forderte Bertinotti den Verzicht auf Einschnitte im sozialen Bereich und wandte sich vor allem gegen die geplanten Kürzungen der Pensionen und im Gesundheitswesen. Seine Weigerung, Prodis Haushaltsgesetz zu unterstützen, verursachte im Oktober 1998 den Sturz der Regierung Prodi.

Der Zusammenbruch der Regierung Prodi kam Bertinotti teuer zu stehen. Der gemäßigtere Neokommunisten-Flügel um Cossutta spaltete sich von Bertinottis Partei ab. Cossutta gründete die Partei der Italienischen Kommunisten (PDCI), die mit der Rifondazione in Konkurrenz trat. Infolge des Bruchs mit der Prodi-Regierung geriet die PRC lange Zeit in politische Isolierung. Im Frühjahr 2001 gelangte Berlusconi wieder an die Macht. Der alte „Achtundsechziger“ Bertinotti wurde unterdessen zum geistigen Motor einer Neuorientierung der PRC. Bei den Massenprotesten gegen den G-8-Gipfel in Genua im Juli 2001 zeigte die PRC ihre Flagge und unterstützte die nachfolgende Radikalisierung der Gewerkschaftsbewegung.

Ende 2002 leitete Bertinotti eine Wiederannäherung an die Linksdemokraten. Unermüdlich kämpfte der Rifondazione-Chef gegen die von Berlusconi vorangetriebene Auflockerung des Kündigungsschutzes, die Steuerreform und die Irak-Mission. Nach dem guten Abschneiden der PRC bei der Europawahl (6,3 Prozent) trat Bertinotti der Mitte-Links-Allianz um Prodi bei. Seitdem arbeitet der Politiker, um seine PRC in eine Regierungspartei umzuwandeln.

Im Duell um die Präsidentschaft der Abgeordnetenkammer setzte sich Bertinotti mit Prodis Unterstützung sogar gegen den ehrgeizigen Präsidenten der Linksdemokraten, Massimo D’Alema, durch. „Wir werden Italien eine stabile Regierung sichern“, sagt Bertinotti. Doch Beobachter bezweifeln, dass der pragmatische Taktiker Prodi das Leben leicht machen wird.

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