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Portugal schlittert in die Krise

Nach Barrosos Wechsel nach Brüssel schlitterte Portugal in die Krise. Nach vier Monaten musste Portugals Ministerpräsident Pedro Santana Lopes bereits seine Koffer packen.

Staatspräsident Jorge Sampaio entzog dem konservativen Premier Mitte Dezember sein Vertrauen, löste das Parlament auf und ließ für den 20. Februar Neuwahlen ausrufen. Zum ersten Mal seit der „Nelkenrevolution“ von 1974 hatte ein Staatsoberhaupt eine Koalitionsregierung „gestürzt“, die im Parlament über eine absolute Mehrheit verfügt.

Pedro Santana Lopes sieht sich als Opfer eines sozialistischen Präsidenten, der „willkürlich und parteiisch“ die konservative Regierung der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und ihres rechten Koalitionspartners Partido Popular (PP) aus dem Amt hob, damit dessen Sozialistische Partei (PS) wieder das Ruder übernehmen kann. Die Realität ist etwas differenzierter: Sampaio hätte schon im Juli 2004 Neuwahlen ausrufen können, als der damalige Premier und PSD-Chef Jose Manuel Durao Barroso sein Amt niederlegte und als EU-Kommissionspräsident nach Brüssel wechselte.

Sampaio wollte das Land allerdings nicht unnötig mit Neuwahlen belasten, welche notwendige Reformen vorschoben hätten. Die PSD-Regierung hatte eine absolute Mehrheit im Parlament, die politische Situation war stabil und so beauftragte der Staatspräsident Santana Lopes, der von Durao Barroso bereits das Amt des PSD-Chefs übernommen hatte, mit der Fortführung der Regierungsgeschäfte. Voraussetzung: Der für seine populistischen Versprechungen selbst in der eigenen Partei umstrittene sollte vor allem die bedächtige Wirtschaftskonsolidierung Durao Barrosos fortführen.

Santana Lopes legte aber gleich einen recht turbulenten Start hin: Kompetenzstreitereien zwischen Ministerien und Besetzungstreitigkeiten führten in nur vier Monaten zu drei Kabinettsumbildungen. Staatssekretäre konnten ihr Amt nicht antreten, weil Santana Lopes keine Zeit hatte, sie zu vereidigen. Er war auf der Hochzeit einer Freundin. Dann konnten Portugals Schüler erst mit einem Monat Verspätung das neue Schuljahr beginnen, da ein Computerproblem das Bildungsministerium lahm legte und 50.000 Lehrer nicht ihre neuen Schulen zugewiesen bekamen.

Als der Premier seinen persönlichen Freund Enrique Chaves vom beigeordneten Minister zum Minister für Jugend und Sport „degradierte“, trat dieser zurück und stellte Santana Lopes als „illoyalen Lüger“ bloß. Der Regierungschef erging sich in verbalen Entgleisungen, während selbst sein Parteifreund und Ex-Premier Anibal Cavaco Silva den „Rückzug der Inkompetenten aus der Politik“ forderte. Es ist aber offensichtlich, dass Cavaco Silva Interesse am Scheitern von Santana Lopes hat, weil der so abzusehende Wahlsieg der Sozialisten seine eigenen Chancen steigert, im kommenden Jahr als „Ausgleich“ zum Staatspräsidenten gewählt zu werden.

Jorge Sampaio nahm die Wortgefechte aber zum Anlass, die Regierung wegen politischer Unfähigkeit zu entlassen“, erklärt der Politologe Fernando Salgeiro. Die politische Stabilität seines Landes sei nicht mehr gewährleistet, begründete er seine Entscheidung. „Vor allem war Sampaio nicht mehr gewillt, den wirtschaftlichen Zickzackkurs von Santana Lopes weiter anzuschauen“, sagt Salgeiro. Selbst PSD treue Unternehmer begrüßten das vorzeitige Ende der Regierung.

Mit seiner Ankündigung von Steuersenkungen wich Santana Lopes klar vom dringend notwendigen haushaltspolitischen Konsolidierungskurs ab. Das Verbrauchervertrauen in die portugiesische Wirtschaft verschlechterte sich maßgeblich. Die Banken klagen, dass die Wirtschaftslage seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so hoffnungslos gewesen sei. In den vergangenen vier Jahren ist die Wirtschaft gerade einmal um 1,9 Prozent gewachsen. Im dritten Quartal 2004 ging der Bruttoinlandsprodukt sogar um 1,2 Prozent zurück. Bereits in den vergangenen drei Jahren hatte Portugal die EU-Defizitgrenze von drei Prozent nur mit Sondereinnahmen in Milliardenhöhe einhalten können.

Santana Lopes verteidigt seinen Wirtschaftskurs. Das Defizit sei 2004 „unter drei Prozent“ des Bruttoinlandsproduktes gehalten worden, die Arbeitslosigkeit in Portugal liege unter dem EU-Durchschnitt und die Inflation konnte auf 2,4 Prozent gehalten werden. „Die Einhaltung der Maastricht-Kriterien konnte der Premier allerdings nur mit Hilfe finanztechnischer Kniffe wie der Umschichtung der staatlichen Pensionsfonds sowie dem Verkauf von Staatseigentum erreichen“, erklärt der Wirtschaftsexperte Jorge Laudeiro de Vaz. Ansonsten hätte die Verschuldung ohne Sonderposten fünf Prozent statt 2,9 Prozent betragen.

Andere Experten sprechen von „Tricks“ und „Kosmetik“. Logischerweise schließt sich dem auch die Opposition an. „Das sind doch alles Manöver, um die Wirklichkeit zu verschleiern“, wetterte der wirtschaftspolitische Sprecher der Sozialistischen Partei, Manuel Pinho. Er dürfte der nächste Wirtschaftsminister Portugals werden, denn seine Partei ist klarer Favorit für die Parlamentswahlen. Das Ansehen von Santana Lopes, der erneut für die PSD als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten antritt, ist durch seine chaotische Regierungszeit so sehr angekratzt, dass selbst die konservative Zeitung „Publico“ schreibt: „Santana Lopes musste nicht gestürzt werden, er ist über seine eigenen Fehler gestolpert“.

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