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Porträt: Joe Zawinul

Wer Welthits wie „Mercy, Mercy, Mercy“ und „Birdland“ geschrieben hat, lebt mit einem großen Auftrag. Noch wenige Monate vor seinem Tod hat sich Joe Zawinul zu seinem 75er weniger feiern lassen, als dass er sich um den raren heimischen Jazz-Nachwuchs sorgte.

Immer öfter war der gebürtige Wiener, der das Ruhmes-Lametta oft abzuschütteln versuchte und immer erdig blieb, wieder in Österreich zu sehen. Er hielt Workshops ab – in der Hoffnung, einer könnte bald schaffen, was ihm gelungen ist. Heute, Dienstag, ist Zawinul im Wiener Wilhelminenspital verstorben.

Zawinul hat mit den berühmtesten Jazzern der Welt dieses Genre revolutioniert und wurde vom renommierten Jazzmagazin Down Beat gleich 28 Mal zum besten Keyboarder gewählt. Sein 75. Geburtstag am 7. Juli hatte ihn da nicht mehr sonderlich aufregen können: Der 75er sei „keine besondere Sache für mich“, schilderte der aus Wien-Erdberg stammende erfolgreichste Jazzexport Österreichs damals im Gespräch mit der APA. Er selbst wollte „nicht groß feiern“, sondern sich „mit Freunden einen guten Schnaps und ein gutes Essen genehmigen“. Immer wieder musste er sich allerdings schon zu dieser Zeit wegen einer Krebserkrankung behandeln lassen. Anfang August wurde die gesundheitliche Situation akut und er begab sich nach seiner letzten Tournee in stationäre Behandlung.

Der am 7. Juli 1932 in Wien geborene Keyboarder, Weltmusiker und echte Wiener zwischen Erdberg, New York und Malibu machte sich mit Hits wie dem dreifachen Gnadengesuch und „The Country Preacher“ einen Namen innerhalb der Jazzszene, nachdem er 1959 eigentlich wegen eines Klavierstipendiums in die USA gegangen war. Schnell wurde er bei Dinah Washington und in Cannonball Adderleys Band zum gefragten Musiker. An Selbstbewusstsein hat es Zawinul nach eigenen Bekunden auch angesichts bedeutender Mitmusiker nie gemangelt – wer noch könnte schon von sich behaupten, dass er ein Angebot des ewigen Superstars des Jazz, Miles Davis, ausgeschlagen hat? Zawinul tat’s, mit den Worten: „Nein. Es ist nicht die Zeit dafür“, als Davis Zawinul im legendären New Yorker Jazzclub „Birdland“ fragte, ob sie nicht zusammen spielen sollten.

Als die Zeit für Zawinul dann gekommen schien, revolutionierte er mit Davis den Jazz: Auf dem wegweisenden, nach einer Zawinul-Komposition betitelten Album „In A Silent Way“ und auf „Bitches Brew“ warfen Davis und Zawinul mit einer Riege von Jazzstars die alten Hörgewohnheiten über den Haufen. Der Electric Jazz war geboren, und Zawinul war an vorderster Front mit dabei. 1970 gründete er die Band Weather Report und machte diese zu einer der bedeutendsten Jazz-Rock-Formationen – mit Saxophonist Wayne Shorter, Schlagzeuger Peter Erskine und Bassist Jaco Pastorius an seiner Seite.

Mit Alben wie „I Sing The Body Electric“, „Heavy Weather“ oder „Black Market“ setzte Zawinul im Einsatz von Keyboards neue Maßstäbe, in einer Zeit, als Synthesizer noch große Kisten mit Namen wie „Sputnik“ waren. Sein Konzept „Spiele elektrisch, klinge akustisch“ wurde oftmals kopiert, aber nie erreicht. Stolz war Zawinul darauf, dass sein Welthit „Birdland“ in drei Dekaden in drei Versionen (von Weather Report, Manhattan Transfer und Quincy Jones) mit je einem Grammy ausgezeichnet wurde. Nachdem Weather Report zerfallen war, gründete er 1987 das „Zawinul Syndicate“, eine Formation mit wechselnden Spitzen-Weltmusikern.

Seine Beziehungen zu Österreich hat die seit fast fünf Jahrzehnten in den USA lebende Jazzlegende immer hochgehalten. In Österreich ist Zawinul viel geehrt, u.a. mit dem Hans Koller Preis 2000, den Auslandsösterreicherpreis 1997 und dem „Amadeus Award“. Zuletzt hat er sich seinen Traum vom Wiener „Birdland“ erfüllt – und fast wieder verloren: Statt wie geplant im Volksgarten machte der Jazzclub 2004 nach langer Quartiersuche und einigen Streitigkeiten im Wiener Hilton auf – und stand ein Jahr später schon wieder knapp vor dem Aus. Am Ende der ersten Saison hatte man Außenstände in der Höhe von 600.000 Euro zu vermelden. Doch die Rettung gelang: „Der Club ist noch offen, das ist eine gute Sache“, klang Zawinul gegenüber der APA Ende Juni optimistisch. „Dem ’Birdland’ geht’s gut. Was die Zukunft bringt? Wer weiߓ. Doch „eng wird es immer bleiben – wie in jedem Jazzclub auf der Welt. Das ist in der Natur der Musik und der Natur des Geschäfts“.

Der sich immer wieder für Verständnis und Toleranz aussprechende Musiker, der auch „Goodwill-Botschafter“ der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit wurde, gestaltete 1998 sein wohl sensibelstes Projekt, ein Gedenkkonzert anlässlich des 60. Jahrestages der Errichtung des KZs Mauthausen. Zuletzt engagierte er sich u.a. für Kinder aus New Orleans, die durch die dortige Sturmkatastrophe in ihrer Existenz bedroht waren.

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