Politische Krise im Iran eskaliert
Aus Protest gegen den Ausschluss vorwiegend reformorienterter Politiker bei der Parlamentswahl am 20. Februar legten am Sonntag 120 der 290 Parlamentsabgeordneten ihre Mandate nieder.
Parlamentspräsident Mehdi Karroubi bat den obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Khamenei um Hilfe. Wir sind in einer Sackgasse”, sagte Karroubi während einer im Staatsrundfunk übertragenen Parlamentssitzung. Der Oberste Führer muss einschreiten, um das Problem zu regeln.”
Der Chef der größten Reformpartei, Mohammed Reza Khatami, warnte vor einem Einsatz der Armee bei der Abhaltung der Wahlen. Dies käme einem Staatsstreich gleich, sagte Khatami. In ihren Rücktrittsgesuchen erklärten einige Abgeordnete, sie könnten nicht länger einem Parlament angehören, das unfähig ist, das Recht des Volkes zu verteidigen und Wahlen zu verhindern, in denen die Bevölkerung ihre Vertreter nicht frei wählen kann”. Die konservativen Kräfte im Iran seien dabei, die Republik zu zerstören” und einen Islam vergleichbar mit dem der Taliban” zu errichten.
Durch die Mandatsniederlegungen könnte das Parlament arbeitsunfähig werden, etwa bei wichtigen Abstimmungen wie der Verabschiedung des Haushalts für das kommende Jahr. Für die Annahme des Budgets ist eine Zweidrittelmehrheit in dem 290 Sitze zählenden Parlament nötig. Die Proteste richten sich gegen den Ausschluss überwiegend reformorientierter Kandidaten von der Parlamentswahl am 20. Februar durch den ultrakonservativen Wächterrat. Der Wächterrat hatte am Freitag eine Kandidatenliste vorgelegt, durch die rund 2450 Bewerber von dem Urnengang ausgeschlossen werden. Insgesamt wurden von 7900 Bewerbern lediglich 5451 zugelassen.
Der Chef der Reformpartei, Khatami, sagte, nirgendwo in der Welt kann die Armee freie und gerechte Wahlen organisieren”. Er reagierte damit auf Andeutungen des Leiters der Wahlkommission, wonach die Wahlen von einem anderen Organ organisiert werden könnten, wenn das Innenministerium dies ablehne.
Präsident Mohammed Khatami sprach wegen des Streits mit dem Wächterrat um die Kandidaturen von einer Sackgasse”. Die Regierung werde nur freie und offene Wahlen mit Wettbewerb organisieren”, sagte er nach einer Zeremonie anlässlich des 25. Jahrestages der Rückkehr von Ayatollah Khomeini, welche die Gründung der Islamischen Republik Iran markiert.
Innenminister Abdolwahed Moussavi-Lari sagte, die Möglichkeit zu freien Wahlen bestehe nach dem massiven Ausschluss von Kandidaten nicht mehr. Am Freitag hatte der Wächterrat einen Antrag von Moussavi-Lari und der für die Organisation der Wahl zuständigen Gouverneure auf eine Verschiebung des Wahltermins abgelehnt.